Anzeige
Genetik

Forscher puzzeln Pilz-Erbgut zusammen

„Next-Generation”-Techniken ermöglichen Sequenzierung des Sordaria macrospora-Genoms

Junge Fruchtkörper und vegetative Hyphen des Pilzes Sordaria macrospora. © Kathryn M. Lord, Sandra Bloemendal, Chris E. Jeffree, Ulrich Kück, Nick D. Read

Mit neuen Techniken hat ein internationales Forscherteam das Genom des Pilzes Sordaria macrospora entschlüsselt. Dabei ist es ihnen gelungen, Erkenntnisse zur Lebensweise und Evolution von Pilzen zu gewinnen. So kommt Sordaria macrospora mit mehreren Kopien gleicher Gene klar, die bei anderen Pilzen aufgrund von immun-ähnlichen Reaktionen zum Zelltod führen. Sie fanden aber auch Gene von entfernten Verwandten, die auf einen so genannten horizontalen Gentransfer im Laufe der Evolution schließen lassen.

Darüber hinaus konnten die Wissenschaftler zeigen, dass die neuen Techniken effizient genutzt werden können, um Genome komplexer Organismen kostengünstig zu sequenzieren. Die Forscher um Professor Ulrich Kück von der Ruhr-Universität Bochum berichten über ihre Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „PLoS Genetics“.

Pilze: große ökologische und wirtschaftliche Bedeutung

Die Bedeutung von Pilzen, die mit geschätzten 1,5 bis sechs Millionen Arten neben Tieren und Pflanzen ein eigenes Reich bilden, ist kaum zu überschätzen: Einige wachsen auf toter organischer Materie, helfen beim Abbau pflanzlicher und tierischer Abfallprodukte und tragen so zum globalen Kohlenstoffkreislauf bei. Andere sind als Krankheitserreger von Bedeutung, viele Pilze werden schließlich in der Biotechnologie genutzt, um Antibiotika, Enzyme oder Lebensmittel zu produzieren.

Daneben spielen Pilze seit Jahrzehnten eine wesentliche Rolle in der Grundlagenforschung bei der Entschlüsselung von genetischen Faktoren, die zum großen Teil auch bei anderen Organismen wie dem Menschen wichtig sind. „Das liegt unter anderem daran, dass Pilzgenome im Vergleich zum menschlichen Genom zwar circa 100-mal kleiner sind – 40 Millionen Basenpaare im Genom von Sordaria macrospora, 3.000 Millionen im menschlichen Genom -, aber trotzdem für eine ähnlich große Zahl von Genen kodieren: circa 11.000 Gene bei Sordaria macrospora, circa 25.000 beim Menschen“, erklärt Kück. Das erste Genom eines Eukaryoten, das 1996 vollständig sequenziert wurde, war das des einzelligen Pilzes Saccharomyces cerevisiae, bekannt als Bäcker- oder Bierhefe. Dafür benötigten rund 600 Forscher sechs Jahre.

Neue Sequenziertechniken: Viele kleine Bausteine zusammensetzen

Weil sie so aufwändig sind, waren Genomsequenzierungen bis vor kurzem extrem teuer und daher meist spezialisierten Sequenzierungs- und Bioinformatik-Instituten vorbehalten. Vor einigen Jahren wurden aber neue „Next-Generation“-Techniken entwickelt, die im Hochdurchsatzverfahren wesentlich kostengünstiger sind. Alle, auch die bisher verwendeten Standard-Techniken – Sanger-Sequenzierung -, liefern Sequenzstücke von maximal 1.000 Basenpaaren. Daher müssen Genomsequenzen immer aus vielen Einzelsequenzen zusammengesetzt werden.

Anzeige

Die neuen Techniken dagegen liefern in gleicher Zeit wesentlich mehr Sequenzstücke als die Sanger-Sequenzierung, die einzelnen Stücke sind aber deutlich kürzer – 36 bis 450 Basenpaare. Um diese kleinen Stücke zu einem Genom zusammensetzen zu können, müssen neu entwickelte Programme auf leistungsfähigen Computern genutzt werden. Bochumer Forscher haben Server des RUB-Rechenzentrums dazu verwendet, das Genom von Sordaria macrospora aus fast 100 Millionen Einzelsequenzen zusammenzusetzen.

„Die dabei entwickelten Methoden werden in zukünftigen Ausbildungsprogrammen für Masterstudenten und Doktoranden eine große Bedeutung haben und somit ein anspruchsvolles Studium mit bioinformatorischem Schwerpunkt ermöglichen“, erläutert Kück.

Überraschungen im Genom von Sordaria macrospora

Die Genomsequenz von Sordaria macrospora hielt einige Überraschungen für die Forscher bereit: So gibt es im Genom mehrere Kopien von Genen, die bei anderen Pilzen der Unterscheidung von „Selbst“ und „Nicht-Selbst“ dienen, analog der Abstoßung von fremden Gewebe bei medizinischen Transplantationen. Im Unterschied zu Sordaria macrospora haben andere Pilze nur jeweils eine Kopie der Gene in ihrem Genom, das Vorhandensein mehrerer Kopien führt unweigerlich zu Inkompatibilitätsreaktionen, die in schweren Fällen mit dem Tod der betroffenen Zellen enden. Wie Sordaria macrospora mit mehreren dieser Genkopien in einem Genom zurechtkommt, ist nach Angaben der Forscher noch ungeklärt.

Weiterhin enthält das Genom von Sordaria macrospora einige Gene, die wahrscheinlich durch einen „horizontalen Gentransfer“ von einem anderen, nur sehr entfernt verwandten Pilz übernommen wurden, und das biochemische Repertoire von Sordaria macrospora erweitern.

(idw – Ruhr-Universität Bochum, 12.04.2010 – DLO)

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

News des Tages

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Bücher zum Thema

50 Schlüsselideen Genetik - von Mark Henderson

Der Kampf zwischen Mensch und Mikrobe - 2 CDs (Audio CD) von Stefan H. E. Kaufmann (Erzähler), Klaus Sander (Produzent)

Menschen, Seuchen und Mikroben - Infektionen und ihre Erreger von Jörg Hacker

Dolly - Der Aufbruch ins biotechnische Zeitalter von Colin Tudge, Ian Wilmut & Keith Campbell

Die Genomfalle - Versprechungen der Gentechnik, ihre Nebenwirkungen und Folgen von Ursel Fuchs

Ingenieure des Lebens - DNA-Moleküle und Gentechniker von Huub Schellekens und Marian C Horzinek (Übersetzer)

Der Pilz, der John F. Kennedy zum Präsidenten machte - Und andere Geschichten aus der Welt der Mikroorganismen von Bernard Dixon

Top-Clicks der Woche