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Biologie

Rätsel um Korallenriffe im Roten Meer gelöst

Von süßen Quallen und nahrhaften Schleimspuren

Korallenriffe im Roten Meer © J. Hutsch / GFDL

Die Korallenriffe im nördlichen Roten Meer standen im Mittelpunkt von mehreren Expeditionen Münchener Geowissenschaftler. Die Forscher haben in der bisher kaum untersuchten Unterwasserlandschaft nicht nur nahrhafte Schleimspuren entdeckt, sondern auch „süße“ Quallen.

Denn die in Korallenriffen weit verbreitete Mangrovenqualle Cassiopea – die mit dem Schirm nach unten und nach oben gestreckten Tentakeln auf dem Meeresboden liegt – gibt vergleichsweise große Mengen an Zucker und Schleimen ab, die einer Reihe von anderen Rifforganismen als Nahrung dienen und so einen bisher nicht beschriebenen Energiefluss vom Meeresboden in die Wassersäule über Korallenriffen bewirken.

Die Forscher konnten auch zeigen, dass die Bedeckung des Meeresbodens durch unterschiedliche marine Organismen auch die Sauerstoffverfügbarkeit im Korallenriff unterschiedlich beeinflusst. Das kann sich nach Angaben des Teams um Christian Wild von der Fakultät für Geowissenschaften der Universität München (LMU) negativ auf sauerstoff- empfindliche Riffbewohner auswirken, wie eine Nachfolgestudie offenbart hat.

Unbekannter Stoffkreislauf

„Im Roten Meer konnten wir zudem einen unbekannten Stoffkreislauf nachweisen, der Mangelelemente wie Stickstoff, Phosphor und Eisen im sehr nährstoffarmen Ökoraum hält“, berichtet Wild.

„Es gab große biogeochemische Wissenslücken, weil hier bisher kaum Forschung in diese Richtung betrieben wurde“, so der Geobiologe weiter. „Dabei gehören die Korallenriffe des Roten Meeres zum weltweit häufigsten Rifftyp, dem Saumriff. Die Erkenntnisse, die wir gewonnen und jetzt in mehreren aktuellen Publikationen veröffentlicht haben, lassen sich daher auf viele andere Riffe übertragen.“

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Forscher mehrere Monate vor Ort

Wild und sein Team verbrachten in den letzten vier Jahren insgesamt mehrere Monate am und im nördlichen Roten Meer. Besonders lohnend wurde der Einsatz durch so genannte in-situ-Logger. Das sind wasserdichte Sensoren, die mit einem Chip ausgestattet sind und in kurzen Zeitabständen bestimmte Parameter im Meerwasser messen – und diese Information auch speichern. Die Logger werden nach ihrem Einsatz an Land ausgelesen und liefern dabei hochaufgelöste Daten direkt aus dem Feld.

So zeigten die Messungen mit diesen Geräten, dass die Bedeckung des Meeresbodens durch verschiedene marine Organismen – die benthische Gemeinschaft – die Verfügbarkeit von Sauerstoff in Korallenriffen unterschiedlich beeinflusst. Je mehr Algen in Korallenriffen vorkommen, desto geringer sind offenbar die mittleren Sauerstoffkonzentrationen im Wasser direkt über dem Riff. Das liegt wohl daran, dass die Riffalgen eine große Menge von Zucker und andere gelöste organische Substanzen abgeben. Diese organischen Nährstoffe werden sehr schnell von Mikroorganismen abgebaut, was zu einer Verringerung der Sauerstoffkonzentration führt.

„Unsere Vermutung, dass dies negative Auswirkungen auf Korallen und andere Sauerstoff-empfindlichen Rifforganismen haben könnte, hat sich dann tatsächlich in einer Nachfolgestudie bestätigt“, berichtet Wild. „Wir konnten zeigen, dass Korallen vor allem im direkten Kontakt mit Riffalgen geschädigt werden.“

Steinkorallen als Schleimspeier

Doch auch die Korallen selbst produzieren organisches Material: So zeigte sich, dass alle dominanten Steinkorallen vor allem Schleime in ihr Umgebungswasser abgeben, die dann bis zu 80 Minuten mit der Oberfläche der Korallen verbunden bleiben. „Aus unseren Vergleichsstudien vom australischen Great Barriere Riff wissen wir, dass das sehr lange ist“, sagt Wild. Die klebrigen Schleime sammeln – ähnlich einer Fliegenfalle – kleine Partikel wie Algenfragmente, Zooplankton und kleine Sandkörnchen aus der Wassersäule ein und werden dadurch sehr schwer. Lösen sich die angereicherten Schleimfäden schließlich, sinken sie in kürzester Entfernung – weniger als fünf Meter – ab und werden schnell von Mikroorgnismen in der Wassersäule und den Riffsanden abgebaut.

„Auf diesem Weg werden regenerierte Nährstoffe wie Stickstoff, Phosphor und Eisen freigesetzt, die dann sehr schnell wieder von Photosynthese betreibenden Organismen, den so genannten Primärproduzenten, aufgenommen werden. So werden diese Mangelelemente im extrem nährstoffarmen Ökosystem Korallenriff gehalten“, sagt Wild. „Mit dieser Studie haben wir einen bisher unbekannten kurzgeschlossenen Stoffkreislauf beschrieben, der über die Abgabe von Schleimen durch Korallen im Roten Meer funktioniert.“

Düngemittel überschwemmen küstennahe Korallenriffe

„Nun wollen wir im Roten Meer auch die chemische Zusammensetzung und Dynamik der Abgabe von organischem Material durch Riffalgen verstehen“, sagt Wild. „Uns geht es vor allem um den Zusammenhang zwischen der Verfügbarkeit an anorganischen Nährstoffen wie Nitrat und Phosphat sowie der Abgabe von Zuckern durch die Algen und einer anschließenden Stimulation der mikrobiellen Aktivität. Denn wir beobachten im Moment, dass aus Massentourismus und Marikultur immer mehr Düngemittel in die küstennahen Korallenriffe eingetragen werden und dort nicht nur das Wachstum, sondern auch den Stoffwechsel der Riffalgen begünstigen, so dass es aus mehreren Gründen zu einem so genannten Regimewechsel kommen kann. Das ist der Übergang von korallendominierten zu algendominierten Riffen, der inzwischen von vielen anderen Korallenriffen gemeldet wird.“

(idw – Universität München, 26.03.2010 – DLO)

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