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Paläontologie

Hai-Drama im Urzeitmeer rekonstruiert

Biss-Spuren verraten, wer vor vier Millionen Jahren einen Delfin tötete und wie

Delfinskelett mit Biss-Spuren und Portrait des Hais Cosmopolitodus hastalis © Giovanni Bianucci

Ein tödliches Drama im Urzeitmeer haben jetzt Paläontologen rekonstruiert. Biss-Spuren auf den fossilen Knochen eines Delfins enthüllten, wie vor vier Millionen Jahren der Angriff eines heute ausgestorbenen Weißen Hais ablief. Demnach biss er zuerst von unten zu und schüttelte dann sein Opfer tot. Die in „Paleontology“ veröffentlichten Erkenntnisse geben einen der extrem seltenen Einblicke in das Verhalten urzeitlicher Jäger und ihrer Beute.

Er war vier Meter lang, glitt schnittig durch das Meer des Oligozän und trug im Maul tödliche Reihen scharfer schmaler Zähne: Cosmopolitodus hastalis, eine heute ausgestorbene Haiart. Jetzt wurde der Jäger der Urzeit erstmals quasi auf frischer Tat ertappt: Ein Paläontologenteam entdeckte Biss-Spuren auf den fossilen Knochen eines rund 2,8 Meter großen Delfins, der in vier Millionen Jahre altem Gestein des italienischen Piedmont gefunden worden war.

Suche nach dem „Killer“

„Das Skelett lag mehr als ein Jahrhundert lang unbeachtet in einem Museum in Turin, aber als ich es untersuchte, im Rahmen einer größeren Studie zu fossilen Delfinen, bemerkte ich Biss-Spuren an den Rippen, Wirbeln und Kiefern des Tieres“, erklärt Giovanni Bianucci von der Universität von Pisa, Leiter der Studie. „Das Opfer zu identifizieren war der einfache Teil – es ist eine ausgestorbene Delfinart namens Astadelphis gastaldii. Die Identität des Killers herauszufinden, erforderte allerdings einiges an Detektivarbeit, denn die einzigen Indizien waren die Biss-Spuren.“

Form und Größe des Bisses verrät Täterschaft

Die allgemeine Form der Bisse deutete auf einen Haiangriff hin, daher zog Bianucci Walter Landini, einen Experten für fossile Haie, hinzu. „Die Glätte der Biss-Spuren auf den Rippen zeigte deutlich, dass die Zähne des Angreifers nicht gezackt waren und das schloss schon mal einige Möglichkeiten aus“, so Landini. „Wir simulierten anschließend die Biss-Spuren potenzieller Täter und verglichen sie mit der Form und Größe der Spuren auf dem Delfin. Das engte die Kandidaten ein auf Cosmopolitodus hastalis.” Für die Täterschaft dieser ausgestorbenen Haiart spricht auch, dass fossile Zähne dieser Art im Gestein rund um den Fundort des Delfins recht häufig sind. „Aus der Größe des Bisses schließen wir, dass dieser spezielle Hai rund vier Meter lang gewesen sein muss“, so Landini.

Fataler Angriff von unten

Detailliertere Analysen erlaubte es den Forschern, sogar die genauen Abläufe beim Angriff des Hais zu rekonstruieren: „Die tiefsten und klarsten Einschnitte sind auf den Rippen des Delfins und weisen auf einen Angriff des Hais von unten in den Rumpf hin“, erklärt Bianucci. „Im kraftvollen Biss gefangen, hat sich der Delfin vermutlich gewehrt und der Hai riss ein großes Stück Fleisch heraus, indem er den Körper hin und her schüttelte. Das muss schwere Verletzungen und großen Blutverlust verursacht haben, weil in dieser Region ein dichtes Geflecht von Nerven, Blutgefäßen und lebenswichtigen Organen liegt. Schließlich, vermutlich bereits im Schock, drehte sich der Delfin auf den Rücken und der Hai biss erneut zu, diesmal nahe der fleischigen Rückenflosse.“

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Extrem seltener Einblick in urzeitliche Ökologie

So detaillierte Einblicke in das Verhalten urzeitlicher Tiere sind eine absolute Seltenheit. Und genau das macht sie so wertvoll für die Paläontologie. „Sie geben uns einen Schnappschuss der ökologischen Interaktionen zwischen den Organismen der prähistorischen Meere“, erklärt Kenshu Shimada, Experte für fossile Haie von der amerikanischen DePaul Universität und dem Sternberg Museum of Natural History. „Haizähne gehören zu häufigsten Relikten von Wirbeltieren unter den Fossilien, aber die Details der Ernährung und des Verhaltens der ausgestorbenen Haie herauszufinden ist extrem schwierig. Relikte von Beutearten mit Haispuren, wie die von Bianucci und seinem Team beschriebenen, geben dagegen direkte Belege darüber, was der urzeitliche Hai fraß und wie er sich verhielt.“

(Wiley-Blackwell, 19.03.2010 – NPO)

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