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Mathematik

Internet: Mathematik macht Musikfahndung möglich

Neues Verfahren spürt Musikstücke auf und vergleicht sie miteinander

Der Multimodal Musik Player eröffnet eine neue Dimension des Umgangs mit Musik im Internet. © bellhäuser - das bilderwerk

Das Internet ist ein gigantischer Datenspeicher. Viele Informationen aber bleiben ungenutzt, weil sie mit modernen Suchwerkzeugen nicht auffindbar sind. Max-Planck-Forscher haben nun mathematische Verfahren entwickelt, um Musikstücke aufzuspüren und miteinander vergleichbar zu machen. Das ist nicht nur ein Gimmick für Musikliebhaber, sondern könnte sogar die Ausbildung von Musikern revolutionieren.

Knapp 300 Milliarden Gigabyte. So groß war die Datenmenge, die im Jahr 2007 im Internet kreiste, zumindest nach Schätzungen des US-Marktanalysten International Data Corporation. Und die Informationsflut wächst täglich. Sie fließt als MP3-Musikdatei, Text und Tabelle, als Video oder als Foto um die Welt. Doch ein großer Teil des elektronischen Datenschatzes lässt sich bislang gar nicht heben, weil es keine Technik gibt, die die Information aufspüren kann.

Gigantischer Datenfriedhof

So sind viele digitale Datenbestände heute zu einem großen Teil nichts anderes als ein gigantischer Datenfriedhof. Meinard Müller, Informatiker am Saarbrücker Max-Planck-Institut für Informatik, arbeitet nun daran, das verschüttete Wissen nutzbar zu machen. Seine Spezialität ist die gezielte Recherche nach Musik in Ton, Text und Notenschrift mithilfe intelligenter Suchwerkzeuge.

Dazu gehört unter anderem der Multimodal Music Player, eine Software, die auf verschiedenen Wegen nach Musik fahnden kann. Es genügt, dem Player einige Takte vorzuspielen, und schon erspürt er in Datenbanken die Partitur des ganzen dazugehörigen Musikstücks oder eine Reihe verschiedener Tonaufnahmen – eine Interpretation von Barenboim oder Bernstein etwa. Ein Klick in die Partitur und die entsprechende Stelle des Klavierkonzerts oder Oratoriums erklingt.

Während die Musik abgespielt wird, kann der Nutzer zwischen den Interpretationen der verschiedenen Dirigenten hin- und herwechseln. So wird ein direkter Vergleich der Aufnahmen möglich. „Der Player ist nur der sichtbare Teil unserer Grundlagenforschung“, betont Müller. „Wir befassen uns ja noch viel umfassender mit der automatisierten Verarbeitung und Analyse von Musik- und Audiodaten.“

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Erkennen von Musik ist nicht trivial

Und das hat es in sich, denn für einen Computer ist das Erkennen von Musik keineswegs trivial. Den harten Anschlag auf einem Klavier kann der Computer noch einigermaßen leicht identifizieren. Doch der auf einer Geige gespielte Ton ist eine Mischung von Oberschwingungen, von Vibrationen, ein Geräusch des langsam anschwillt, dessen Anfang und Ende kaum zu erkennen ist. Noch schwieriger ist es für Maschinen, den Klangteppich eines Orchesters zu interpretieren, in dem einzelne Töne kaum mehr auseinanderzuhalten sind.

Müllers mathematische Verfahren aber sind in der Lage, musikalische Themen in einem Musikstück wiederzufinden. Beim Audiomatching, einem akustischen Abgleich, werden Musikstücke auf Basis von Charakteristika wie etwa Harmonien oder Rhythmen miteinander verglichen. Damit kann der Computer dann unterschiedliche Versionen eines Musikstücks oder sogar Coverversionen finden.

Datenstrom in leicht verdauliche Abschnitte zerlegt

Derzeit arbeiten die Forscher unter anderem daran, den akustischen Datenstrom in leicht verdauliche Abschnitte zu zerlegen, um darin zum Beispiel sogar einzelne Akkorde zu erkennen. In Zusammenarbeit mit der Universität Bonn und dem Beethovenhaus in Bonn ist bereits ein akustischer Musikkatalog entstanden, in dem man seit einigen Wochen mit Hilfe des Multimodal Music Player in verschiedenen Aufnahmen navigieren kann.

Dem Musikliebhaber stehen derzeit 27 verschiedene Varianten von Musikstücken zur Verfügung. In Kürze werden Nutzer gleichzeitig in der zugehörigen Partitur navigieren können.

Revolution bei der Ausbildung von Pianisten?

Auch mit der Hochschule für Musik Saar in Saarbrücken besteht eine Kooperation. „Derzeit entwickeln wir gemeinsam Ideen, um die Musiksuche für die Ausbildung von Pianisten zu nutzen“, sagt

Müller. So können die Studenten künftig quasi synchron eigene Tonaufnahmen mit denen von Profis vergleichen, einzelne Takte, Triolen oder Crescendi im Detail analysieren.

Müller will die Ergebnisse seiner Arbeit aber nicht als exklusive musikalische Suchmaschine missverstanden wissen. „Letztlich arbeiten wir allgemein an mathematischen Verfahren, um akustische Inhalte gezielt identifizieren zu können – das ähnelt der Suche nach Bildern, in denen man nach charakteristischen Ausschnitten wie etwa dem Umriss einer Kirche sucht.“

(idw – Max-Planck-Gesellschaft, 24.02.2010 – DLO)

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