Vorhofflimmern ist eine chronische Rhythmusstörung des Herzens, die zwar nicht lebensgefährlich ist, aber das Risiko für schwerwiegende Erkrankungen wie Herzinsuffizienz, Schlaganfall und Demenz erheblich erhöht. Nun hat ein internationales Forscherteam einen neuen Genort identifiziert, der das Auftreten von Vorhofflimmern signifikant beeinflusst. Dieser steht in funktionellem Zusammenhang zu einem Kalium-Kanal, der bei der Erregungsbildung des Herzens eine Rolle spielt.
{1r}
„Die Kenntnis dieses Zusammenhangs ermöglicht es uns, gezielt neue Wirkstoffe zu entwickeln, die Vorhofflimmern behandeln können“, erläutert der Leiter der neuen Studie, Dr. Stefan Kääb von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Die Meta-Analyse, in der das Genom von 1.335 Patienten mit Vorhofflimmern mit dem Erbgut von 12.844 gesunden Probanden verglichen wurde, berücksichtigt Daten aus zehn umfangreichen Studien.
Die Analyse über die die Fachzeitschrift „Nature Genetics“ in ihrer Online-Ausgabe berichtet, entstand in enger Zusammenarbeit mit Forschern der TU München und des Helmholtz Zentrums München sowie mit Beiträgen aus über 50 internationalen Forschungseinrichtungen.
Abstimmung ist wichtig
Um das Blut reibungslos durch den Körper zu transportieren und die Versorgung der lebenswichtigen Organe sicherzustellen, müssen die Schläge des Herzens perfekt koordiniert sein: Die Kontraktionen der Vorhöfe und der Herzkammern müssen in ihrer zeitlichen Folge genau aufeinander abgestimmt sein.
Kann der Sinusknoten – der elektrische Taktgeber des Herzens – diese Aufgabe nicht mehr ausreichend erfüllen, kommt es zu einer Herzrhythmusstörung. Im Gegensatz zum Kammerflimmern ist das Vorhofflimmern eine mildere Form der Herzrhythmusstörung, die nicht akut lebensbedrohlich ist.
Eine Million Menschen betroffen – allein in Deutschland
„Allerdings kann Vorhofflimmern zu schwerwiegenden Folgeerkrankungen führen – vor allem dadurch, dass das Blut nicht mehr vollständig aus dem Herzen gepumpt wird und so leichter Blutgerinnsel entstehen“, erläutert Kääb. „Diese können wiederum Schlaganfälle oder eine Embolie – also dem Verschluss eines Blutgefäßes – nach sich ziehen. Zudem erhöht Vorhofflimmern das Risiko für eine Herzinsuffizienz und kann zu einer Einschränkung der Hirnleistung bis hin zur Demenz führen.“
Zugleich ist Vorhofflimmern eine Erkrankung mit hoher sozioökonomischer Bedeutung: Allein in Deutschland sind bis zu eine Million Menschen betroffen, weltweit wird die Zahl auf bis zu 600 Millionen Menschen geschätzt.
Genetische Signalwege im Visier
Ein internationales Forscherteam um Kääb hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, die genetischen Signalwege aufzudecken, die zur Entstehung dieser bislang wenig verstandenen Störung beitragen. Dabei ist es den Wissenschaftlern bereits gelungen, mehrere wichtige Genorte zu identifizieren, die das Risiko für Vorhofflimmern signifikant beeinflussen. So entdeckten die Forscher einen Genort auf Chromosom 16, der bei der Synthese eines Moleküls für die Herzentwicklung eine wichtige Rolle spielt.
Zudem spürten sie neun Regionen im Erbgut auf, die sich auf die Zeitdauer des PQ-Intervalls – einer Messstrecke des EKG – auswirken und über diesen Marker auch mit dem Risiko für das Auftreten von Vorhofflimmern zusammenhängen.
In der neuen, in das Nationale Genomforschungsnetz (NGFN) eingebetteten Untersuchung fassten die Forscher in Kooperation mit dem Kardiologen Patrick T. Ellinor vom Massachusetts General Hospital in Boston (USA) die Daten aus fünf groß angelegten genomweiten Assoziationsstudien in einer Meta-Analyse zusammen. Dabei betrachteten sie jedoch nur eine Untergruppe der Studienteilnehmer – 1.335 Personen, die von einer besonderen Form des Vorhofflimmerns betroffen waren. Dieses so genannte Lone Atrial Fibrillation (Lone AF) zeichnet sich durch einen Krankheitsbeginn vor dem 65. Lebensjahr und das Fehlen struktureller Begleiterkrankungen aus.
Homogene Untersuchungsgruppe
„Durch diese sehr homogene Untersuchungsgruppe ist es uns gelungen, einen neuen Genort zu entdecken, der das Risiko für Vorhofflimmern signifikant beeinflusst, nämlich KCNN3“, sagt Kääb. „Glücklicherweise handelt es sich dabei um ein Gen, das an der Synthese eines Kaliumkanals beteiligt ist. Dieser spielt bei der Erregungsbildung des Herzens eine Rolle und stellt somit ein mögliches Ziel für neue Medikamente dar.“
So könnten in zukünftigen Studien neuartige Wirkstoffe entwickelt und erprobt werden, die gezielt an diesem Kaliumkanal ansetzen und auf diese Weise eine unkoordinierte Erregung des Herzens verringern. „Gleichzeitig verbessert das Ergebnis unser Verständnis über die pathophysiologischen Mechanismen, die zur Entstehung des Vorhofflimmerns beitragen“, sagt Kääb. „Zudem hoffen wir, dass die Ergebnisse langfristig gesehen für eine individuelle Risikovorhersage genutzt werden können.“
(idw – Universität München, 22.02.2010 – DLO)