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Physik

Symmetriebrüche in kosmischer „Ursuppe”

Teilchenbeschleuniger erzeugt winzige Blasen symmetriebrechender Quarks

Quark-Gluon-Plasma nach Kollision zweier Gold-Ionen © Brookhaven National Laboratory

Zum ersten Mal haben Physiker im Labor nachgewiesen, wie grundlegende Symmetriebrüche im Quark-Gluon-Plasma, der heißen „Ursuppe des Universums“, zustande gekommen sein könnten. Sie gelten als Voraussetzung für die Entstehung der Materie. Wie die Forscher in den „Physical Review Letters“ berichten, bildeten sich in dem durch Kollisionen von Gold-Ionen erzeugten Plasma für Sekundenbruchteile winzige Blasen, in denen die Quarks nicht der fundamentalen Spiegelsymmetrie der Teilchenwelt gehorchten.

Bei der Umwandlung von Energie in Masse müssen gleiche Anteile von Teilchen und ihren spiegelsymmetrischen Antitteilchen entstehen, so will es die Theorie. Treffen dann beide zusammen, löschen sie sich gegenseitig aus – eigentlich. Nach dem Urknall jedoch überlebte die Materie, Antimaterie dagegen verschwand. Aber warum? Einer Hypothese nach könnten sich im Plasma der ersten Mikrosekunden lokal begrenzte „Blasen“ gebildet haben, in denen die Symmetrie von Antimaterie und Materie „gebrochen“ war. Dabei verhielten sich die Teilchen nicht gleich, sondern unter bestimmten Bedingungen etwas unterschiedlich und schufen damit die Voraussetzung für eine Dominanz der Materie. Bisher allerdings gab es kaum experimentelle Belege dafür.

Quark-Gluon-Plasma nach Ionen-Kollision

Neue Experimente am Relativistic Heavy Ion Collider (RHIC) des Brookhaven National Laboratory in den USA haben nun Bedingungen erzeugt, wie sie nur Mikrosekunden nach dem Urknall im Universum geherrscht haben. Durch die Kollision von Goldionen mit annähernd Lichtgeschwindigkeit entstand für extrem kurze Zeit eine Temperatur von rund vier Billionen Grad – genug Hitze, um sogar die Protonen und Neutronen der Atomkerne in ihre Bestandteile, Quarks und Gluonen zu zerlegen. In einem solchen Quark-Gluon-Plasma, so die Hypothese, müssen sich nach dem Urknall die entscheidenden Symmetriebrüche ereignet haben.

Quarks im Magnetfeld fliegen unterschiedlich

Tatsächlich haben jetzt auch die Forscher in Brookhaven Anzeichen für genau solche Symmetriebrüche entdeckt. Denn im starken Magnetfeld der Kollisionen verhielten sich die Quarks nicht so wie erwartet. Im STAR-Detektor des Beschleunigerrings war zu erkennen, dass die positiv geladenen Quarks nach einer Kollision bevorzugt parallel zu den magnetischen Feldlinien entwichen, ihre negativen Gegenspieler dagegen in die entgegengesetzte Richtung schossen.

Teilchendetektor STAR in Brookhaven © BNL

„In allen vorherigen Systemen, die von der starken Wechselwirkung zwischen Quarks und Gluonen beherrscht werden, gab es bis in die höchsten Genauigkeiten hinein immer die Beobachtung, dass Ereignisse und ihre spiegelsymmetrische Entsprechung sich exakt in der gleichen Rate ereigneten, mit keinerlei Richtungsabhängigkeit“, erklärt Steven Vigdor, Leiter des Labors für Teilchen- und Kernphysik in Brookhaven. „Daher ist diese Beobachtung am STAR-Detektor wirklich spannend.“

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Symmetriebruch nur in lokalen Blasen

Den Ursprung dieses asymmetrischen Verhaltens lokalisierten die Forscher in winzigen Blasen im Quark-Gluon-Plasma. Diese Blasen entstehen zufällig und erzeugen vermutlich jeweils eine von zwei möglichen entgegengesetzten Varianten der Ladungstrennung. Insgesamt gesehen bleibt dadurch die Symmetrie zwar erhalten, lokal aber wird sie gebrochen.

„Die im STAR beobachteten Merkmale sind qualitativ konsistent mit den Vorhersagen von symmetriebrechenden Domänen in der heißen Quarkmaterie“, so Vigdor. „Die Bestätigung dieses Effekts und das Wissen, wie diese Domänen der gebrochenen Symmetrie im RHIC entstehen könnte uns Forschern helfen, einige der fundamentalsten Rätsel des Universums zu verstehen. Wir werden daher intensiv weiter experimentieren.“

Beobachtungen als erster Anhaltspunkt

Zwar reichen die jetzt beobachteten lokalen Symmetriebrüche noch nicht aus, um vollständig zu erklären, warum heute die Materie dominiert, sie sind zu schwach dafür. Doch sie liefern erste Anhaltspunkte dafür, wie sich solche Verletzungen der Symmetrie überhaupt ereignen können. „Wir werden jetzt testen, ob das Signal verschwindet, wenn wir geringere Kollisionsenergien haben, wenn die erzeugte Materie nicht heiß genug ist, um in ein Quark-Gluon-Plasma überzugehen“, so Vigdor. Die weiteren Tests sollen zum einen andere Ursachen für das beobachtete Quarkverhalten ausschließen, zum anderen aber auch das Phänomen als solches weiter erforschen.

(DOE/Brookhaven National Laboratory, 17.02.2010 – NPO)

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