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Technik

Internet: Browser lernen jetzt 3D

Neuer Technologie ermöglicht Einbettung interaktiver 3-D-Szenen direkt in beliebige Webseiten

Philipp Slusallek, Professor für Computergraphik der Universität des Saarlandes, forscht daran, wie man interaktive 3-D-Szenen direkt in beliebige Webseiten einbetten kann. © Universität des Saarlandes

3D-Szenen sind bisher noch die Domäne von Spielen oder Kinofilmen, doch bald könnten uns diese Technologie auf jeder Website begegnen. Denn deutsche Forscher haben jetzt eine neue Browser-Erweiterung entwickelt, die es erlaubt, interaktive 3-D-Szenen direkt in beliebige Webseiten einzubetten. Auf der Computermesse Cebit werden erste Browser- Versionen mit dieser 3-D- Erweiterung vorgestellt.

In Kinofilmen und Computerspielen kann man heute schon in dreidimensionale Welten eintauchen, die Menschen und ihre Umgebung sehr realistisch nachbilden. Im Internet ist davon allerdings noch wenig zu sehen. Wenn der Nutzer dann noch selbst die virtuelle Welt verändern möchte, stößt er im Internet bisher schnell an Grenzen. Wie es schon bald auf einfache Weise anders geht, zeigen Forscher um Professor Philipp Slusallek am neu gegründeten Intel Visual Computing Institute an der Universität des Saarlandes und dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI).

Zusatzprogramm bringt Browsern 3D bei

Die Informatiker nahmen für ihre 3-D-Technologie für das Internet gewöhnliche Webbrowser wie den „Firefox“ genauer unter die Lupe. Mit der dort verwendeten Programmiersprache HTML konnten bisher nur Texte, Bilder und Videos angezeigt werden. Durch eine Erweiterung, die die Informatiker in den vergangenen Monaten entwickelten, können jetzt auch komplexe dreidimensionale Graphiken verarbeitet werden. Diese neue Web- Technologie, genannt „XML3D“, kann in Zukunft mithilfe eines kleinen Zusatzprogramms von allen Internetnutzern verwendet werden.

Die neue Technologie aus Saarbrücken hat den Vorteil, dass sie für Web-Entwickler und Designer einfach zu lernen ist, da sie auf die bekannte Web-Technologie der Browser aufbaut. XML3D ist eine Szenenbeschreibungssprache, die für programmierbare Graphikprozessoren entwickelt wurde. Im Gegensatz zu früheren Formaten wie VRML und X3D, die sich nie durchsetzen konnten, erweitert XML3D einfach nur das normale HTML um 3-D-Fähigkeiten. So sind etwa Geometriedaten so abgelegt, dass sie direkt an die Grafikhardware übergeben werden, ohne dass man dafür Kopien im CPU-Speicher halten muss.

Schatten und Reflexionen lebensnah

Auch das für XML3D neu entwickelte Materialmodell setzt komplett auf programmierbare Grafik-Hardware. Sie unterstützt neben der traditionellen Rasterisierung zur Darstellung der Szene auch das so genannte Echtzeit-Raytracing. Diese interaktive Visualisierungstechnik wurde von Slusallek und seinem Team in den vergangenen Jahren zur Marktreife gebracht und wird heute von den großen Chipherstellern Intel und Nvidia für ihre jeweilige Grafik- Hardware weiterentwickelt und angeboten. Im Gegensatz zu den herkömmlichen Verfahren können damit Schatten und Reflexionen physikalisch korrekt dargestellt werden. Dies lässt virtuelle Szenen etwa in Kinofilmen oder Computerspielen wesentlich realistischer aussehen.

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„Heute werden diese Szenen mit aufwändigen Tricks erstellt. Dies wird im 3-D-Internet nicht mehr funktionieren, wenn beliebige Nutzer auf der ganzen Welt damit anfangen, ihre eigenen 3-D-Inhalte ins Netz zu stellen. Sie erwarten dann, dass diese sofort realistisch aussehen und ohne komplizierte Tricks einfach funktionieren“, so Computergrafik-Experte Slusallek. Er sieht daher gerade im 3-D-Internet die Zukunft der Ray-Tracing-Technologie. „Das neue 3-D-Internet eröffnet ganz neue Märkte, in denen bald eine ähnliche Goldgräberstimmung herrschen könnte wie damals beim Start der ersten Webangebote“, meint Professor Slusallek.

Einbettung auch in bestehende Websites

Mit dem neuen Verfahren können dreidimensionale Graphiken direkt in beliebige Webseiten eingebettet werden, und dies viel interaktiver als bisher. Weblinks im Text können die 3-D-Szene verändern, sie von einer anderen Ansicht zeigen oder eine Animation starten. Auch existierende Web-Seiten können damit schnell und einfach um interaktive 3-D-Grafik ergänzt werden. So sind etwa alle 3-D-Objekte auch Teil des DOM (Document Object Models) und können dadurch von jedem Entwickler schnell verändert werden. Genauso einfach lassen sich auch 3-D-Szenenteile bei Bedarf nachladen oder ihr Design mithilfe von CSS anpassen.

Anwendungen vom Probesitzen bis Produktentwurf

Die Anwendungen für die neue Technologie sind vielfältig. So könnte eine Kundin künftig etwa ein Abendkleid vor dem Kauf im Onlineshop virtuell anprobieren. Sie hätte dann die Möglichkeit, sich auf dem Bildschirm durch eine dargestellte Oper oder eine Diskothek räumlich zu bewegen. Ein Autokäufer

könnte sich virtuell zur Testfahrt in das neue Auto setzen, dessen Ausstattung er vorher für sich persönlich zusammengestellt hat. Auch für Ingenieure eröffnen sich ganze neue Möglichkeiten, wenn sie an verschiedenen Standorten Produkte entwerfen und ihre 3-D-Modelle gemeinsam über das Internet bearbeiten können.

Neben der Nutzung im Browser soll die XML3D-Technologie künftig auch als Bibliothek und über ein Software Development Kit (SDK) unter allen gängigen Betriebsystemen zur Integration in kommerzielle und OpenSource-Anwendungen zur Verfügung stehen. Damit will die Forschungsgruppe um Professor Slusallek die Software-Entwickler dabei unterstützen, interaktive 3-D-Grafik einfach und schnell in ihre Anwendungen zu integrieren.

(Universität des Saarlandes, 11.02.2010 – NPO)

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