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Physik

Photonen auf Irrwegen

Physiker entwickeln ein Experiment, um die Zufallsbewegung von Quantenteilchen zu untersuchen

Eine Kugel mit Quanteneigenschaften nimmt auf einem Galton-Brett alle möglichen Wege (links). Am Ende wird sie dann mit größerer Wahrscheinlichkeit an den Rändern gemessen. Im klassischen Experiment (rechts) endet ihr Zufallsweg eher in der Mitte. © MPI für die Physik des Lichts

Mit polarisiertem Licht hat ein internationales Physikerteam jetzt erstmals ein einfaches Experiment für einen quantenphysikalischen random walk, eine Zufallsbewegung, konstruiert. Ihre Versuche könnten neue Einsichten in biologische Prozesse wie die Photosynthese liefern und helfen, Such-Algorithmen zu beschleunigen. Sie wurden jetzt online in der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“ veröffentlicht.

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Was ein Mensch auf einem vom Zufall bestimmten Irrweg durch eine Stadt erfahren würde, zeigt ein Experiment mit einem Galton Brett – einem Brett, in dem in einem dreieckigen Muster senkrechte Stäbe stecken. Rollt eine Kugel über das Brett und trifft auf einen Stab, der an einer Ecke des Dreiecks sitzt, nimmt sie einen vom Zufall bestimmten Weg durch das Stäbchen-Labyrinth, bis sie an der Basis des Dreiecks anlangt: Bei jedem Schritt durch das Labyrinth wird sie an einem Stäbchen nach links oder rechts abgelenkt. Da sie im Schnitt beide Richtungen gleich oft nimmt, kommt sie meistens in der Mitte der Basis an. Auf einem Irrweg durch ein Straßenlabyrinth würde uns der Zufall auf ähnliche Weise ins Zentrum einer Stadt führen.

Überlagern statt entscheiden

Einem Teilchen mit Quanteneigenschaften erginge es jedoch anders, wie die Forscher des Max-Planck-Instituts für die Physik des Lichts in Erlangen sowie der Universitäten in Prag und Edinburgh jetzt bewiesen haben. Es müsste sich nicht an jedem Stäbchen für eine Richtung entscheiden, sondern würde beide möglichen Wege gleichzeitig nehmen. Denn solch ein Teilchen besitzt auch die Eigenschaften von Wellen, und Wellen können so etwas.

Der physikalische Zustand des Teilchens ist dann dadurch charakterisiert, dass sich darin alle möglichen Aufenthaltsorte, also alle Wege überlagern. Tritt das Quantenteilchen schließlich an der Basis des Dreiecks aus dem Labyrinth heraus, befindet es sich nicht eindeutig an einem Durchlass zwischen zwei Stäben, sondern an mehreren – es bildet sich ein Interferenzmuster. Und zu dessen Eigenheiten gehört, dass es an den Rändern desto intensiver wird, je mehr Stäbchen das wellenhafte Teilchen passiert.

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Wellenpakete im Glasfaserkabel

„Licht eignet sich besonders gut, um solch eine Zufallsbewegung eines Quantenteilchens in einem Experiment zu untersuchen“, erklärt Christine Silberhorn, in deren Arbeitsgruppe der Versuch stattfand. Die Lichtteilchen geben Musterbeispiele für Zwitterwesen aus Teilchen und Welle ab. Der Richtung der klassichen Kugel entspricht hier die Polarisation des Photons, das heißt die Richtung, in der seine Lichtwelle schwingt.

Durch eine Halbwellen-Platte wird das Photon in den Überlagerungszustand befördert. Die Halbwellen-Platte wirkt dabei wie das Stäbchen eines klassischen Galton-Bretts, nur dass es dem Photon keine Richtungsentscheidung aufzwingt, sondern dafür sorgt, dass es im übertragenen Sinn in beide Richtungen weiterläuft. Die Forscher trennen das Photon in diesem Zwitterzustand anschließend in seine beiden Hälften – eine vertikal und eine horizontal schwingende – und leiten sie separat durch zwei Glasfaserkabel. Die beiden Hälften snd aber noch immer verschränkt, sie bilden im Prinzip noch immer nur ein einziges Photon – diese scheinbare Paradox ist nur in der Quantenwelt möglich.

Typisches Interferenzmuster

Die vertikal schwingende Hälfte muss nun einen deutlich weiteren Weg zurücklegen, ehe die Physiker die Bahnen der beiden Photonhälften wieder vereinigen. Das gespaltene Photon läuft nun in Form zweier hintereinander wandernder Wellenpakete durch eine Glasfaser- den ersten Schritt auf dem Galton-Brett hat es damit hinter sich. Um den zweiten Schritt zu machen, führt die Glasfaser die beiden Photonhälften zurück zur Halbwellenplatte, die aus jeder Hälfte wieder einen Zwitter macht. Und das ganze Prozedere beginnt von Neuem.

Fünf Mal haben die Physiker das Photon durch die Schleife laufen lassen. Danach hatte sich das eine Photon in eine Kette mehrerer Wellenpakete aufgefächert, die einen Überlagerungszustand bildeten. Dabei fielen die Pakete am Rand der Kette deutlich stärker aus. Das heißt nach den Gesetzen der Quantenphysik: Wenn die Forscher das aufgefächerte Photon auf einen Detektor leiten, der das Photon nur als ein Teilchen registriert, misst dieser es eher am Anfang oder am Ende der Kette.

Hilfe zur Enträtselung der Photosynthese

Mit ihren Experimenten geht es den Physikern um den Überlagerungszustand, da dieser auch in der Natur auftritt, etwa bei der Photosynthese in Pflanzen: Wie Forscher erst kürzlich festgestellt haben, transportieren Moleküle die aufgenommene Energie des Sonnenlichts durch Teile des Photosynthese-Apparates in Form eines solchen Zwitterzustands. „Bislang weiß man noch nicht, wie sich der Quantenphysikalische Charakter des Transports genau auf den Prozess auswirkt“, sagt Silberhorn. „Solche Effekte können wir mit unserem Aufbau untersuchen, weil wir den Überlagerungszustand über die Halbwellen-Platte sehr genau kontrollieren können.“

Die quantenmechanische Zufallsbewegung könnte in fernerer Zukunft aber auch einmal eine praktische Anwendung finden. Prinzipiell eignet sie sich nämlich als Suchfunktion eines Quanten-Computers. Mit Photonen oder Elektronen, die viele Pfade gleichzeitig beschreiten, ließe sich eine Datenbank oder das Internet viel schneller durchsuchen als mit klassischen Teilchen, die alle Wege nacheinander abschreiten müssen. Wie solch ein Such-Algorithmus konkret vorgehen kann, das tüfteln theoretische Physiker derzeit noch aus.

(Max-Planck-Gesellschaft, 09.02.2010 – NPO)

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