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Neurobiologie

Schokoholics scheuen keinen Schmerz

„Schokosüchtige“ Mäuse nehmen selbst Elektroschocks in Kauf

Schokolade macht süchtig – das zumindest ist der Erfahrung vieler „Schokoholics”. Jetzt haben italienische Forscher nachgewiesen, dass Mäuse, die zunächst an Schokolade gewöhnt und dann auf Entzug gesetzt wurden, selbst Elektroschocks tolerieren, um an ihre Leibspeise zu kommen. Wie sie in der Fachzeitschrift „BMC Neuroscience“ berichten, spielt der im Stirnhirn ausgeschüttete Signalstoff Norepinephrin eine Schlüsselrolle.

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Rossella Ventura und ihre Kollegen von der Santa Lucia Foundation in Rom sind spezialisiert auf die Erforschung von Essstörungen, Zwangshandlungen und chronischem Stress. In einer neuen Studie an Mäusen untersuchten sie nun den Zusammenhang von zwanghafter Esslust und Stress. „Wir nutzen ein neues Modell in dem wir testeten, ob eine vergangene stressende Erfahrung von Hunger dafür sorgt, dass man eine später angelernte Vermeidungsreaktion auf ein bestimmtes Nahrungsmittel überwindet – in diesem Falle Schokolade“, erklärt Ventura.

Schokolade und Elektroschocks

Konkret heißt dies: Die Forscher trainierten zunächst sowohl wohlgenährte Mäuse, als auch Tiere, die länger gehungert hatten und abgemagert waren, darauf, in einem Experiment mit zwei Kammern immer die Kammer zu wählen, in der es Schokolade als Belohnung gab. Die andere Kammer war jeweils leer. Nachdem die Tiere dies gelernt hatten, veränderten die Wissenschaftler das Experiment, Jetzt erhielten die Mäuse jedes Mal einen leichten Elektroschock, wenn sie die Schokoladenkammer betraten.

Wenig überraschend ließen sich die wohlgenährten Mäuse sehr schnell davon abbringen, die Kammer mit der lockenden Schokolade zu betreten. Die ausgehungerten Mäuse allerdings verhielten sich deutlich anders. Sie nahmen selbst den Stromschlag in Kauf, um an die Schokolade zu gelangen.

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Um die neuronalen Hintergründe dieses Verhaltens aufzuklären, führten die Forscher einen weiteren Versuch durch. Beim Menschen ist bekannt, dass eine bestimmte Region des Stirnhirns, der präfrontale Kortex und ein dort ausgeschütteter Signalstoff, das Norepinephrin, eine wichtige Rolle für das Suchtverhalten spielt.

Kein Zwangsverhalten ohne Norepinephrin

Deshalb teilten die Wissenschaftler die ausgehungerten Mäuse in zwei Gruppen. Die eine blieb unbehandelt, die zweite jedoch erhielt Mittel, die die Ausschüttung von Norepinephrin selektiv hemmt. Wieder wurde beide Gruppen vor die Wahl gestellt, die Schokoladenkammer zu betreten und einen Stromschlag zu erhalten oder aber die leere, aber sichere Kammer zu wählen. Es zeigte sich, dass die Mäuse mit der Signalstoff-Hemmung sich verhielten wie normale, wohlgenährte Tiere: Sie miede die Elektroschocks und verzichteten auf die Schokolade. Bei den einfach nur ausgehungerten dagegen überwog der Drang nach Schokolade selbst den Schmerz der Stromschläge.

Nach Ansicht der Forscher zeigen die ausgehungerten Mäuse damit eindeutig Verhaltensmuster einer Essstörung, deren Zwanghaftigkeit sie selbst negative Konsequenzen in Kauf nehmen lässt. Der Signalstoff Norepinephrin spielt dafür offensichtlich eine Schlüsselrolle. Diese Erkenntnis und der Nachweis dieses Zusammenhangs könnten zukünftig zur Entwicklung neuer, besserer Therapien auch für Essstörungen beim Menschen führen.

(BMC Neuroscience, 09.02.2010 – NPO)

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