Anzeige
Genetik

Frühmenschen entgingen nur knapp dem Aussterben

Genstudie enthüllt drastischen Einbruch in Populationsgröße vor rund einer Million Jahren

© Harald Frater

Vor rund einer Million Jahren sind unsere Vorfahren möglicherweise nur um Haaresbreite einem Aussterben entgangen. Das entdeckten amerikanische Forscher bei der Auswertung genetischer Unterschiede. Die Populationen von Homo erectus und den anderen frühen Menschenformen schrumpften zu dieser Zeit plötzlich auf nur noch 55.500 Individuen weltweit zusammen – eine extrem kleine Anzahl, wie die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) berichten.

Vor rund einer Million Jahren war die Ausbreitung des Menschen in vollem Gange. Homo erectus, Homo ergaster und frühe Formen des Homo sapiens hatten, aus Afrika kommend, weite Teile Asiens und Europas besiedelt, das zeigen Fossilfunde aus dieser Zeit. Nach bisheriger Annahme musste es damals auch entsprechend hohe Anzahlen dieser Menschenarten gegeben haben. Doch genau das hat sich jetzt als Irrtum herausgestellt, wie Lynn Jorde, Genetikerin an der Universität von Utah in Salt Lake City, und ihre Kollegen herausfanden. Den entscheidenden Hinweis dafür lieferten die Gene.

Springende Gene als Populationsmesser

Die Wissenschaftler hatten für ihre Studie zwei komplett sequenzierte menschliche Genome auf einen bestimmten Typ mobiler DNA-Abschnitte, die so genannten Transposons, hin analysiert und verglichen. Dabei handelt es sich um kurze DNA-Schnipsel, die sich – wie eine Art Parasit – im Laufe langer Zeiträume in verschiedenen Regionen des menschlichen Erbguts vermehren und ausbreiten können. Eines dieser Transposons, die so genannte Alu-Sequenz, erschien erstmals vor rund einer Million Jahren. Aus der Position, der Mutationsrate und dem Vergleich dieses Transposons mit der Diversität des Gesamtgenoms lässt sich ermitteln, wie hoch die genetische Vielfalt im menschlichen Erbgut heute und in der Frühzeit der Menschheitsentwicklung war. Indirekt können die Wissenschaftler so auch auf die Populationsgröße der damaligen Menschheit schließen.

Nur noch 18.500 fortpflanzungsfähige Menschen

Und dies enthüllte Überraschendes: Denn vor rund einer Million Jahren war die genetische Vielfalt der Menschheit zwar höher als heute, die tatsächliche Populationsgröße aber lag weit darunter: Effektiv lag sie bei 18.500 fortpflanzungsfähigen Menschen weltweit – das ist weniger als die Zahl der damals lebenden Gorillas und Schimpansen, von denen es schätzungsweise 25.000 und 21.000 allein in Afrika gab. Maximal, so die Forscher, lag die Gesamtzahl der damals lebenden Menschen bei 55.500. Nach dieser Zeit stieg ihre Populationsgröße zwar allmählich wieder an, aber die genetische Vielfalt des Menschen blieb dank dieses „Flaschenhalses“ in der Entwicklung eingeschränkt.

Katastrophaler Einschnitt vor einer Million Jahren

Nach Ansicht der Wissenschaftler deutet dies darauf hin, dass die Menschheit vor rund eine Million Jahren eine Katastrophe erlebte, die sie nur knapp am Aussterben vorbeischrammen ließ. Bisher nahm man ein solches Szenario für die Zeit vor 70.000 Jahren an, als der Supervulkan Toba ausbrach und möglicherweise einen Jahre lang dauernden vulkanischen Winter weltweit auslöste. „Wir haben mehrere solcher Zyklen durchlebt, in der wir große Populationsgrößen hatten, aber auch sehr kleine“, erklärt Barr.

Anzeige

Angesichts der neuen Erkenntnisse war die Toba-Katastrophe möglicherweise gar nicht der große Flaschenhals, für den man ihn bisher hielt. Denn die Daten könnten daraufhin deuten, dass die menschliche Bevölkerung seit dem Einschnitt vor rund einer Million Jahren vielleicht ständig eher auf niedrigem Niveau lag. Dann wäre Toba nur eine von vielen größeren und kleineren Katastrophen im Laufe der Menschheitsentwicklung gewesen.

Was allerdings vor einer Million Jahren für das drastische Schrumpfen der Populationsgröße unserer Vorfahren verantwortlich gewesen sein könnte, ist bisher nicht bekannt.

(University of Utah, 25.01.2010 – NPO)

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Neandertaler - Neue Erkenntnisse über unsere Steinzeit-Cousins

News des Tages

Feldhase

Genom des "Osterhasen" entschlüsselt

Erstes Bild der Magnetfelder ums Schwarze Loch

Ägypten: Wandbilder aus der Totenstadt

Wie das Klima den antarktischen Zirkumpolarstrom beeinflusst

Bücher zum Thema

Die Welt des Neandertalers - Von den Ursprüngen des Menschen von Juan L. Arsuaga

Die Eiszeiten - Naturgeschichte und Menschheitsgeschichte von Hansjürgen Müller-Beck

Die Macht der Gene - Schön wie Monroe, schlau wie Einstein von Markus Hengstschläger

Die Ursprünge der Menschheit - von Fiorenzo Facchini

Das Rätsel der Menschwerdung - von Josef H. Reichholf

Neandertal - Tal des Lebens von Bernhard Kegel

Die Genomfalle - Versprechungen der Gentechnik, ihre Nebenwirkungen und Folgen von Ursel Fuchs

Ingenieure des Lebens - DNA-Moleküle und Gentechniker von Huub Schellekens und Marian C Horzinek (Übersetzer)

Top-Clicks der Woche