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Medizin

Prostata: Entzündung kann Krebs ankurbeln

Schlüsselrolle von Interleukin-6 beim Prostatakarzinom enthüllt

Chronische Entzündungen in der Vorsteherdrüse können die Entwicklung von Prostatakrebs ankurbeln. Einen Nachweis dafür hat jetzt eine Forscherin aus Österreich in Zellen des Prostatakarzinoms gefunden. Sie stellt ihre neuen Ergebnisse in der Fachzeitschrift „Endocrine Related Cancer” vor.

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Das Prostatakarzinom ist das häufigste Karzinom beim Mann. Jeder zehnte Europäer wird im Laufe seines Lebens mit dieser Diagnose konfrontiert. Dr. Illaria Cavaretta von der Innsbrucker Universitätsklinik für Urologie konnte nun in einem Zellkulturmodell zeigen, dass der bei chronischen Entzündungen in der Vorsteherdrüse vermehrt freigesetzte Botenstoff Interleukin-6 (IL-6) die Entwicklung von Prostatakrebs fördern kann.

„Sehr vereinfachend erklärt, kann dieser Botenstoff die Entwicklung von Prostatakrebs ankurbeln. Grund dafür ist, dass IL-6 nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip an einen spezifischen, löslichen Rezeptor im gesamten Körper binden kann. Die vermehrte Ausschüttung von IL-6 bei chronischen Entzündungen der Vorsteherdrüse kann gemäß dieses Schlüssel-Schloss-Prinzipes über komplexe zelluläre Signale auch die Entwicklung von Prostatakrebs forcieren“, erklären Cavaretta und ihr Chef Professor Zoran Culig uni sono.

Krankheitsgeschehen wird „hoch getuned“

Hinter dieser einfachen Erklärung steht ein vielschichtiges Netz an Kommunikationswegen, das die weltweit junge Forschung dazu als „Interleukin-6-Trans-Signaling“ bezeichnet. Dieser Schlüsselmechanismus läuft umso intensiver im Körper ab, desto kanzerogener das Gewebe bereits ist und desto mehr Mutationen bereits aufgetreten sind. Er macht alle Körperzellen für IL-6 empfänglich, die diesen spezifischen, löslichen Rezeptor, also ein eigenes Schloss, für diesen Botenstoff haben.

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„Das heißt übersetzt in die Praxis, das ganze Krankheitsgeschehen wird geradewegs ‚hoch getuned‘. Beim Prostatakarzinom hat das IL-6-Trans-Signaling daher eine mögliche Schlüsselrolle, denn die Zellen des Prostata-Karzinoms können mit Hilfe von IL-6 ihre trickreichen Fähigkeiten schulen, ihre Lernfähigkeit schärfen und so weiter ungebremst wachsen, Tumorunterdrücker-Gene ausschalten und ihre Beweglichkeit im Körper steigern“, so die Forscher.

Komplexe Wechselwirkungen

Diese komplexen Wechselwirkungen sind ein weiterer Grund dafür, weshalb die bisher gegen das Prostatakarzinom eingesetzte Hormontherapie nach einer bestimmten Zeit nicht mehr wirken kann. Prostatakrebs als eine der häufigsten Krebserkrankungen der westlichen Welt mit entsprechenden Kosten für das Gesundheitssystem ist bisher nur im Frühstadium sehr gut behandelbar.

Bei dieser Tumorart sind grundsätzlich jene Mechanismen nicht im Detail bekannt, die zu Entartung, unkontrolliertem Wachstum und Streuung der Zellen führen. „Aus all diesen Gründen haben die Grundlagenforschungen ein klinisches Potenzial und münden nachhaltig in neue Therapiekonzepte. Langfristig wollen wir jene Patienten identifizieren, die für eine Anti-IL-6-Therapie in Frage kommen könnten“, sagt Culig.

Entzündungen im Urogenitaltrakt relativ häufig

Chronische Entzündungen im Urogenitaltrakt, die nach den neuesten Ergebnissen des Innsbrucker Teams in bestimmten Fällen die Entwicklung von Prostata-Krebs forcieren können, sind relativ häufig. Bestimmte Bakterien und Viren sowie Ernährungsfaktoren können chronische Entzündungen in der Vorsteherdrüse bedingen. Ursprünglich sind Entzündungsreaktionen ein Schutzmechanismus unseres Immunsystems. Anhaltende Entzündungsprozesse allerdings gelten als möglicher Auslöser einer ganzen Reihe von Erkrankungen.

Die internationale medizinische Forschung hat dabei insbesondere IL-6 und dessen Wirkungsweise über einen spezifischen Rezeptor im gesamten Körper im Visier. Unter anderem bei Darm- und Brustkrebs gab es bisher Belege für diese Rolle von IL-6 in der Krebsentwicklung. Beim Prostatakarzinom legten klinische Studien einen solchen Zusammenhang nahe. Einen ersten, konkreten Nachweis in Prostatakarzinomzellen erbrachte nun Cavaretta.

(Medizinische Universität Innsbruck, 15.01.2010 – DLO)

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