Selbst bei scheinbar gut bekannten Organismen wie den Blütenpflanzen gibt es noch immer Überraschungen: Eine kleine Gruppe mit Kräutern aus den Tropen Amerikas ist jetzt als isolierte Linie innerhalb der Ordnung der Nelkenartigen identifiziert worden. Damit konnten die Forscher ein 222 Jahre altes Rätsel um die nähere Verwandtschaft dieser Pflanzen lösen.
Die Familie Microteaceae wird vom Forscherteam um Thomas Borsch von der Freien Universität Berlin zusammen mit Kollegen aus Bonn und Münster in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Willdenowia“ erstmals wissenschaftlich beschrieben und im Baum des Lebens klassifiziert.
222 Jahre altes Rätsel gelöst
„DNA-Analysen haben zweifelsfrei bewiesen, dass es sich um eine bisher völlig falsch gruppierte Gattung handelte“, sagt Borsch. Dabei sind diese Pflanzen bereits seit langem bekannt und wurden schon durch mehrere Generationen von Botanikern erforscht. 1788 wurde die Gattung Microtea vom schwedischen Botaniker Olof Swartz beschrieben. Ihre nähere Verwandtschaft blieb jedoch bis heute ein großes Rätsel.
Da ihre Arten einerseits Ähnlichkeiten mit Gänsefußgewächsen – Chenopodiaceae – und Kermesbeerengewächsen – Phytolaccaceae – aufweisen, wurde Microtea traditionell innerhalb einer der beiden Familien klassifiziert. Erst jetzt gelang es durch Analyse der Erbsubstanz einen gesicherten Platz im Stammbaum der Ordnung der Nelkenartigen – Caryophyllales – für sie zu finden. Eine enge Verwandtschaft sowohl mit den Gänsefuß- als auch mit den Kermesbeerengewächsen konnten die Wissenschaftler damit klar ausschließen. Vielmehr handelt es sich bei Microtea um eine eigenständige Evolutionslinie.
Aufgrund der besonderen Stellung im Stammbaum Blütenpflanzen und der morphologischen Verschiedenheit werden die Arten der Gattung Microtea ab jetzt in einer eigenen Familie, Microteaceae, zusammengefasst, schreiben die Forscher in Willdenowia.
Die neue Familie Microteaceae
Die Familie Microteaceae umfasst circa zwölf Arten. Dabei handelt es sich ausschließlich um einjährige, krautige Pflanzen. Sie sind von Mittelamerika und den Antillen bis nach Südamerika verbreitet. Die Microteaceae sind damit eine der wenigen Pflanzenfamilien, die ausschließlich in den amerikanischen Tropen vorkommen. Die Art Microtea debilis wird unter anderem aufgrund des Inhaltsstoffes Cirsimarin pharmakologisch genutzt.
Verwandtschaftsverhältnisse der Blütenpflanzen werden aufgeklärt
„Unser Bild der Evolution von Organismen wird fortwährend revolutioniert und es gibt immer noch viel, von dem wir nichts wissen“, sagt Borsch. Die aktuellen Forschungsergebnisse gehören zu einem umfassenderen Projekt, bei dem die Verwandtschaftsverhältnisse der Blütenpflanzen aufgeklärt werden.
Dazu sequenzieren die Wissenschaftler ganz bestimmte Abschnitte aus den Genomen einer Vielzahl verschiedener Pflanzen und analysierten sie anschließend mit Hilfe von Computerprogrammen vergleichend. Die Datensätze aus DNA-Sequenzen der Dahlemer Forscher umfassen mittlerweile hunderte von Arten aus allen Pflanzenfamilien.
Analyse der Erbsubstanz liefert überraschende Ergebnisse
Spannend ist, so die Forscher, dass sich durch die heute in großem Stil mögliche Analyse der Erbsubstanz dabei selbst bei scheinbar gut bekannten Organismen wie den Blütenpflanzen noch immer viele Überraschungen ergeben. Im gleichen Projekt wurde erst 2005 die neue Familie der Linderniaceae entdeckt, die auch in der einheimischen Flora vorkommt.
(idw – Freie Universität Berlin, 11.01.2010 – DLO)