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Medizin

Rätsel um Blutgerinnung gelöst

Bald effektivere Therapien bei Herzinfarkt und Schlaganfall?

Das Fehlen eines Schlüsselproteins für die Blutgerinnung, der Phospholipase D1, schützt vor Herzinfarkt und Schlaganfall ohne den lebenswichtigen Prozess selbst zu beeinflussen. Das haben jetzt Würzburger Wissenschaftler herausgefunden.

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Damit könnte das Protein zukünftig eine wichtige Rolle bei der Therapie einnehmen, berichten die Forscher in der Online-Ausgabe der Fachzeitschrift „Science Signaling“. Denn die meisten bisher verfügbaren Medikamente erhöhen die Gefahr unkontrollierter Blutungen und erschweren deshalb diese Behandlung.

Gefährliche Durchblutungsstörungen

Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall sind das größte Gesundheitsproblem in westlichen Gesellschaften. Durchblutungsstörungen in Arterien sind hierfür eine der wichtigsten Ursachen. Diese treten auf, wenn Blutgefäße durch einen Blutpfropf verstopft werden. Ein solcher Blutpfropf entsteht an beschädigten Gefäßwänden durch die Anlagerung von Blutplättchen.

Gelangen diese an eine beschädigte Stelle, so werden sie von der Gefäßwand aktiviert und verändern ihre Form und Oberflächeneigenschaften so, dass sie sich aneinander und an der Wand des Blutgefäßes festkleben können. Ist der Blutpfropf so groß, dass er das gesamte Gefäß verschließt, kann das nachfolgende Gewebe nicht mehr durchblutet werden. Besonders tragisch ist das im Herzen, dem Gehirn oder der Lunge. Es kommt zum Herzinfarkt, Schlaganfall oder zu einer Lungenembolie.

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Blutverdünner mit Nebenwirkungen

Durchblutungsstörungen werden daher schon früh mit leichten Blutverdünnern behandelt, beim Infarkt können in manchen Fällen stark wirksame Medikamente die Blutpfropfen auflösen. Doch alle bisher verfügbaren Medikamente beeinflussen auch immer die normale Blutstillung, die lebenswichtig ist, um uns bei Verletzungen vor einem unkontrollierten Blutverlust zu schützen. Denn krankhafte und gesunde Blutstillung laufen im Körper über sehr ähnliche Mechanismen. Als Nebenwirkungen sind daher eine erschwerte Stillung von blutenden Wunden und bei starken Medikamenten innere Blutungen bekannt.

Seit einigen Jahrzehnten suchen Wissenschaftler daher nach kleinsten Unterschieden zwischen dem Ablauf der normalen Blutgerinnung und der Entstehung krankhafter Gefäßverschlüsse.

Wie krankhafte Gefäßverschlüsse entstehen

Einen wichtigen Unterschied zeigen die Würzburger Wissenschaftler um Professor Bernhard Nieswandt vom Rudolf-Virchow-Zentrum der Universität Würzburg in ihrer aktuellen Studie. In den Arterien, in denen ein krankhafter Blutpfropf besonders gefährlich ist, werden stabile Pfropfen nur mit Hilfe des Enzyms Phospholipase D 1 (PLD 1), das sich in den Blutplättchen befindet, gebildet. Das haben die Forscher entdeckt, indem sie die Produktion des Enzyms in Mäusen gezielt verhinderten und deren Blutgerinnung mit gesunden Mäusen verglichen.

Außerhalb des Körpers untersuchten die Wissenschaftler die Ausbildung eines Blutpfropfs in nachgebildeten Blutgefäßen verschiedener Größe. Um die Wirkung auf den gesamten Organismus zu bestimmen, lösten sie Verletzungen in der Hauptschlagader aus, wie sie bei krankhaft veränderten Gefäßen auftreten. Die Mäuse ohne PLD 1 bildeten keine großen Blutpfropfen aus und waren zum Großteil vor Infarkt und Schlaganfall geschützt.

Integrin als Klebstoff

Interessant ist für die Forscher, dass PLD 1 besonders für die krankhafte Blutgerinnung wichtig zu sein scheint, für die normale Blutgerinnung aber nicht unbedingt benötigt wird. Im verletzten Gefäß aktiviert es so genannte Integrine auf der Oberfläche der Blutplättchen, wenn sich bereits einige Plättchen an die Gefäßwand geheftet haben.

Das aktivierte Integrin ist eine Art Klebstoff, der die Plättchen dann noch einmal untereinander verklumpt und den Pfropf stabilisiert. In den Arterien, in denen die meisten akut lebensgefährlichen Blutpfropfen entstehen, nimmt PLD 1 eine Schlüsselrolle ein und ist daher besonders interessant für einen möglichen Therapieansatz.

PLD 1 fungiert als Verstärker

„In den Arterien wirken auf die Blutplättchen sehr viel höhere Scherkräfte ein als in den Venen, die die Plättchen stark aktivieren, gleichzeitig aber die Entstehung eines Pfropfens erschweren. Daher scheint PLD 1 hier als eine Art Verstärker wichtig zu sein, damit sich die Plättchen überhaupt untereinander verklumpen können“, so Nieswandt.

Diesen Verstärker könnten die Wissenschaftler blockieren und damit Durchblutungsstörungen und den Gefäßverschluss verhindern, ohne die normale Blutgerinnung zu beeinflussen.

(idw – Rudolf-Virchow-Zentrum / DFG – Forschungszentrum für Experimentelle Biomedizin, 05.01.2010 – DLO)

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