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Zoologie

Zugvögel: Immer der Nase nach

Tiere verlassen sich auf langen Zugrouten auf ihren Geruchssinn

Katzendrosseln sind in Nordamerika weit verbreitet. Der Singvogel überwintert in Mexiko, entlang der Ostküste und auf den karibischen Inseln. © Wolfgang Wander / GFDL

Ein internationales Forscherteam hat in einem Freilandversuch festgestellt, dass sich Vögel auf langen Zugrouten wesentlich auf ihren Geruchssinn verlassen. Er spielt eine wichtigere Rolle als die Sonne und das Magnetfeld der Erde, berichtet das „Journal of Experimental Biology“.

Wie sich Vögel auf ihren Zugrouten orientieren, ist bis heute nicht vollständig geklärt. Wie entwickelt ein Vogel eine „innere Landkarte“? Wie findet er zurück in sein Nest vom Vorjahr? Erwachsene Zugvögel sind offensichtlich in der Lage, sich an Routen zu erinnern. Selbst bei einem Flug über unbekanntem Terrain finden sie ihren Weg.

Echte Navigationsleistung

Von Jungvögeln vieler Arten wissen Forscher zudem, dass sie eine artspezifisch vererbte Himmelsrichtung einschlagen, um bei ihrer ersten Reise die Winterplätze zu erreichen. Sie verfehlen ihr Ziel, wenn man sie über große Entfernungen von ihrem Ausgangspunkt wegtransportiert.

Erwachsene Zugvögel sind dagegen in der Lage, sich an einmal geflogene Routen zu erinnern und nach einer Ortsveränderung die Flugrichtung zu korrigieren und zu den Winterplätzen zurückzufinden. Dies ist ein Beweis echter Navigationsleistung. Wissenschaftler versuchen daher, Faktoren und Mechanismen zu bestimmen, die es den Tieren ermöglichen, ihren Standort zu lokalisieren.

Singvögel in ihrer natürlichen Umgebung untersucht

Forscher um Richard Holland und Martin Wikelski vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell und der Universität Konstanz haben nun erstmals kleine Singvögel in ihrer natürlichen Umgebung untersucht. In der Feldstation der Universität Princeton haben sie dazu während des Herbstzuges 24 erwachsene und 24 juvenile Katzendrosseln – Dumatella carolinensis – gefangen.

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Anschließend manipulierten die Forscher in beiden Gruppen bei jeweils acht Vögeln den Geruchssinn, indem sie die Nasenschleimhäute der Vögel mit einer Salz-Lösung spülten. Die Vögel konnten daraufhin für zwei Wochen nicht mehr richtig riechen, ihre Riechzellen wurden jedoch nicht permanent geschädigt. Bei weiteren acht Vögeln störten die Forscher den Magnetsinn mittels starker magnetischer Impulse. Bei der Kontrollgruppe blieben die Tiere ihrer Wahrnehmung unbeeinträchtigt.

Erwachsene Vögel meiden direkte Südrichtung

Parallel dazu wurden in Illinois – in der Mitte des amerikanischen Kontinents – 19 erwachsene Katzendrosseln gefangen, über Nacht 1.100 Kilometer Richtung Osten nach New Jersey gebracht und dort ebenso in die drei Gruppen aufgeteilt. Anschließend befestigten die Wissenschaftler bei allen Vögeln einen 0,9 Gramm leichten Radiotransmitter auf dem Rücken und ließen alle sofort frei. Die Ornithologen konnten nun den Zug der Vögel vom Boden und von der Luft aus beobachten.

Üblicherweise fliegen Katzendrosseln bei ihrem Herbstzug durch New Jersey in Richtung Südwesten westlich an der Bucht von Delaware entlang. Wenn sie – wie ihre Artgenossen in Illinois – einen streng südlichen Kurs fliegen, würden sie am Cape May ankommen. Das hätte zur Folge, dass sie die Delaware Bay an ihrer breitesten Stell überqueren oder an der Küste entlang wieder Richtung Norden fliegen müssten, bis sie an eine schmale Stelle gelangen. Erwachsene Vögel meiden deshalb die direkte Südrichtung.

Manipulation des Magnetsinns

Die erwachsenen nicht-riechenden Vögel wählten jedoch nach Angaben der Forscher eine unterschiedliche Flugroute als die erfahrene Kontrollgruppe und diejenigen Tiere, deren Magnetsinn gestört war. Die Vögel, deren Geruchssinn beeinträchtigt war, waren nicht in der Lage, sich zu orientieren und flogen nach Süden. Sie mussten wie die Jungvögel auf eine endogene Peilung zurückgreifen, weil sie sich nicht mehr auf ihren Geruch verlassen konnten. Auch die aus Illinois stammenden Tiere ohne Geruchssinn flogen in südliche Richtung, während die Kontrollgruppe versuchte, den Ortswechsel durch Flug gen Südwesten beziehungsweise Westen zu kompensieren.

Die Manipulation des Magnetsinns wirkte sich dagegen nicht auf die Orientierung aus – weder für die erwachsenen noch für die jungen Vögel. „Auch andere Feldstudien haben keinen klaren Beweis erbracht, dass es eine Wirkung haben könnte, wenn man den Magnetsinn stört“, sagt Holland. Deshalb stellt sich für die Forscher die Frage, wie wichtig tatsächlich das Magnetfeld für die Navigation über große Distanzen ist.

Geruchssinn wesentlicher Faktor einer Navigationskarte

„Dennoch nehmen wir nicht an, dass der Mangel an Wirkung bei der Magnetpuls-Behandlung ein Zeichen dafür ist, dass der Magnetsinn gar keine Rolle bei der Migration erwachsener Vögel spielt“, so der Forscher weiter.

Die Ergebnisse erlauben erstmals den Schluss, dass der Geruchssinn ein wesentlicher Faktor einer Navigationskarte ist. Der Versuch eröffnet darüber hinaus auch eine zuverlässige Methode für zukünftige Feldstudien, die die Rolle von Umweltfaktoren beim Vogelzug untersuchen.

(MPG, 18.12.2009 – DLO)

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