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Astronomie

VISTA-Teleskop späht Südhimmel aus

Neues Durchmusterungsinstrument nimmt die Arbeit auf

Die versteckten Feuer des Flammennebels © ESO / J. Emerson / VISTA / Cambridge Astronomical Survey Unit

Am Paranal-Observatorium der Europäischen Südsternwarte (ESO) in der nordchilenischen Atacama-Wüste hat jetzt ein neues Teleskop namens VISTA seine Arbeit aufgenommen. Die ersten Bilder zeigen spektakuläre Ansichten des Flammennebels, der Zentralregion der Milchstraße und des Fornax-Galaxienhaufens. Sie sind nach Angaben der ESO-Wissenschaftler Beleg dafür, dass das Teleskop exzellent funktioniert.

Bei VISTA handelt es sich um ein Durchmusterungsteleskop, das im Infrarotwellenbereich arbeitet und gänzlich neue Blicke auf den Südhimmel erlauben soll.

Very Large Telescope als Nachbar

VISTA ist auf einem Berggipfel in direkter Nachbarschaft des Very Large Telescope (VLT) der ESO stationiert und profitiert von den gleichen exzellenten Beobachtungsbedingungen wie das VLT. Der Hauptspiegel von VISTA hat einen Durchmesser von 4,1 Metern, und ist der am stärksten gekrümmte jemals hergestellte Spiegel dieser Größe und Qualität. Herstellung und Polierverfahren stellten höchste technische Ansprüche – dafür weicht der Spiegel nun lediglich um weniger als einige Tausendstel der Dicke eines menschlichen Haares von seiner Idealform ab.

„VISTA ergänzt die bereits am ESO-Observatorium auf dem Cerro Paranal vorhandenen Instrumente in einzigartiger Weise. Das Teleskop wird wegweisende Durchmusterungen des Südhimmels im Bereich des Infrarotlichts durchführen, und es wird viele interessante Zielobjekte für das VLT, für ALMA und für das zukünftige European Extremely Large Telescope entdecken“, erklärt Tim de Zeeuw, der Generaldirektor der ESO.

Eine Million Sterne: Blick ins dunkle Herz der Milchstraße © ESO / VISTA / Cambridge Astronomical Survey Unit

Kamera als Herzstück

Herzstück von VISTA ist eine drei Tonnen schwere astronomische Kamera, die 16 spezielle Detektoren mit insgesamt 67 Millionen Bildpunkten, die für Infrarotlicht empflindlich sind – also für Wellenlängen, die länger sind als die des sichtbaren Licht, welches das menschliche Auge wahrnehmen kann. Dadurch, dass die Beobachtungen im Infrarotbereich stattfinden, sind VISTA Objekte zugänglich, die anderweitig unmöglich nachzuweisen wären – etwa, weil sie zu kalt sind, oder weil sie hinter Staubwolken verborgen sind, oder weil ihr Licht aufgrund der Expansion des Weltalls derartig gestreckt worden ist, dass es nun in den Infrarot-Wellenlängenbereich fällt.

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Damit die schwache Infrarotstrahlung aus dem Weltraum nicht von der Wärmestrahlung der Kamera selbst überstrahlt wird, ist die Kamera auf -200 Grad Celsius gekühlt, und hinter dem größten jemals hergestellten infrarotdurchlässigen Fenster installiert. Für Design und Konstruktion der Kamera zeichnet ein Konsortium verantwortlich, dem unter anderem das Rutherford Appleton Laboratory, die UK ATC und die nordenglische Universität Durham angehören.

Großer Hauptspiegel

Da VISTA einen sehr großen Hauptspiegel hat, kann es nach Angaben der ESO sehr schwache Quellen nachweisen. Da es zudem ein sehr weites Blickfeld besitzt, kann es binnen kurzer Zeit weite Teile des Himmels durchforsten. Jedes VISTA-Bild zeigt einen Himmelsausschnitt, der rund zehn Mal so groß ist wie die scheinbare Größe des Vollmonds. Das Teleskop wird Objekte des gesamten Südhimmels mit einer vierzig Mal höheren Empfindlichkeit nachweisen können als bisherige Infrarotdurchmusterungen – wie etwa der höchst erfolgreiche Two Micron All-Sky Survey.

Dieser Unterschied in der Nachweisempfindlichkeit – vergleichbar dem Unterschied zwischen Beobachtungen mit dem bloßen Auge und mit Galileos erstem Teleskop – wird nach Angaben der Forscher zur Entdeckung unzähliger neuer Objekte am Südhimmel führen, und insbesondere die Kataloge seltener und exotischer Objekte in entscheidender Weise erweitern.

„Wir freuen uns sehr, dass wir den Astronomen das VISTA-Teleskop zur Verfügung stellen können. Die hohe Qualität der wissenschaftlichen Daten, die sich damit gewinnen lassen, stellt allen Wissenschaftlern und Ingenieuren, die an diesem aufregenden und schwierigen Projekt beteiligt waren, ein exzellentes Zeugnis aus“, fügt Ian Robson hinzu, der Leiter des UK ATC.

Gürtelregion des Orions mit dem Flammennebel © ESO and Digitized Sky Survey 2 / Davide De Martin

Drei spektakuläre Bilder

Das erste der nun veröffentlichten Bilder zeigt den Flammennebel NGC 2024, eine spektakuläre Gas- und Staubwolke im Sternbild Orion, in der neue Sterne entstehen. Im sichtbaren Licht ist das Innenleben dieses Objekts hinter dicken Staubwolken verborgen. Infrarotlicht kann diese Wolken durchdringen, und das im Infrarotbereich aufgenommene VISTA-Bild zeigt den hinter den Wolken versteckten Haufen heißer, junger Sterne. Aufgrund des großen Blickfelds der VISTA-Kamera sind außerdem noch das Leuchten des Reflexionsnebels NGC 2023 und die schattenhafte Form des bekannten Pferdekopfnebels zu sehen.

Das zweite Bild ist aus zwei VISTA-Aufnahmen der Zentralregion unserer Milchstraße zusammengesetzt – die von der Erde aus gesehen im Sternbild Schütze liegt. Sie gibt den Blick auf eine überwältigende Anzahl von Sternen frei – alleine in diesem Bild sind rund eine Million Sterne zu sehen – von denen die meisten hinter dicken Staubwolken verborgen und nur im Infrarotlicht sichtbar sind.

Für das letzte Bild hat VISTA seinen Blick in die Tiefen des Weltraums gerichtet und ein Familienportrait des Fornax-Galaxienhaufens – im südlichen Sternbild Chemischer Ofen, lateinisch Fornax – geschossen. Das große Blickfeld von VISTA erlaubt es, gleichzeitig eine Vielzahl von Galaxien abzubilden, einschließlich der Balkenspiralgalaxie NGC1365 und der großen elliptischen Galaxie NGC 1399.

VISTA soll Südhimmel systematisch durchmustern

VISTA wird fast seine gesamte Beobachtungszeit damit verbringen, den Südhimmel systematisch zu durchmustern. Im Laufe der nächsten fünf Jahre wird es sechs große Himmelsdurchmusterung mit jeweils anderen wissenschaftlichen Zielen durchführen. Eine der Durchmusterungen wird den gesamten Südhimmel umfassen, andere werden sich auf ausgewählte kleinere Himmelsregionen konzentrieren und dort weitergehende Untersuchungen durchführen.

VISTAs Durchmusterungen werden nach Ansicht der ESO unser Verständnis der Eigenschaften, der Verteilung und der Herkunft der bekannten Typen von Sternen und Galaxien erweitern, die dreidimensionale Struktur unserer Heimatgalaxie und unserer Nachbargalaxien, der Magellanschen Wolken, bestimmen, und die Zusammenhänge zwischen der großräumigen Struktur unseres Universums und der geheimnisvollen Dunkeln Energie und Dunklen Materie untersuchen.

Gewaltige Datenmengen

Die gewaltigen Datenmengen – typischerweise 300 Gigabytes pro Nacht, entsprechend mehr als 100 Terabytes pro Jahr – werden im digitalen Archiv der ESO gesammelt; in Rechenzentren an den Universitäten Cambridge und Edinburgh entstehen daraus Bilder und Kataloge. Alle Daten werden veröffentlicht und Astronomen auf der ganzen Welt zugänglich gemacht.

Jim Emerson von Queen Mary, University of London, der Leiter des VISTA-Konsortiums, freut sich bereits auf die Daten, die das Teleskop liefern soll: „Am spannendsten dürften diejenigen Ergebnisse sein, die wir am wenigsten erwarten – und ich bin schon sehr gespannt darauf, welche Überraschungen VISTA für uns bereithält!“

18 Universitäten beteiligt

VISTA wurde von einem Konsortium von 18 Universitäten des Vereinigten Königreichs konzipiert und entwickelt, das unter der Leitung der Universität Queen Mary, University of London steht. Am 10. Dezember 2009 wurde das Teleskop in einer Zeremonie im ESO-Hauptquartier in Garching bei München provisorisch von der ESO angenommen, im Beisein von Vertretern von Queen Mary, University of London sowie des STFC. Das Teleskop wird von nun an von der ESO betrieben werden.

(idw – Max-Planck-Institut für Astronomie, 14.12.2009 – DLO)

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