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Biologie

Abholzung der Regenwälder schadet Klima mehr als gedacht

Von Landschaftszerschneidung betroffene Gebiete speichern weniger Biomasse und CO2

Die Mata Atlântica wurde wie hier im Bundesstaat São Paulo bereits seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts großflächig abgeholzt, um Bauholz, Holzkohle, Weideland und Ackerflächen zu gewinnen. © Henning Steinicke / UFZ

Die Abholzung der tropischen Regenwälder könnte noch größeren Einfluss auf den Klimawandel haben als bislang gedacht. Die Gesamtbiomasse von kleinen, nach einer Landschaftszerschneidung entstandenen Waldstücken, kann im Vergleich zu einem zusammenhängenden Wald gleicher Gesamtfläche um bis zu 40 Prozent geringer sein. Zu diesem Ergebnis kommen deutsche und brasilianische Forscher anhand von neuen Modellrechnungen.

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Die Daten stammen aus dem bereits zu rund 90 Prozent abgeholzten Küstentropenwald Mata Atlântica im brasilianischen Bundesstaat São Paulo. Die übrig gebliebenen Waldfragmente sind kleiner und haben deshalb ein ungünstigeres Verhältnis zwischen Fläche und Rand.

Ursache für den Rückgang an Biomasse sei die höhere Sterblichkeit von Bäumen an Waldrändern von Waldfragmenten und damit eine Verringerung großer alter Bäume, die überproportional viel Biomasse enthalten, schreiben die Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und der Universität São Paulo im Fachblatt „Ecological Modelling“. Veränderte Windverhältnisse und ein verändertes Strahlungsklima führen zu einem insgesamt veränderten Mikroklima an den Waldrändern. Dies sind Faktoren, denen besonders alte, große Bäume zum Opfer fallen.

Weniger Biomasse in den Waldresten

Mit Hilfe der am UFZ entwickelten Waldsimulationssoftware FORMIND modellierten die Forscher unterschiedlich große, nach Landschaftszerschneidung verbliebene Waldreste. Je kleiner ein Stück Wald ist, umso ungünstiger ist das Verhältnis zwischen Rand und Fläche.

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Dabei stellte sich heraus, dass ein naturbelassener Tropenwald circa 250 Tonnen pro Hektar Biomasse, ein Waldfragment von 100 Hektar Größe etwa 228 Tonnen Biomasse pro Hektar besaß – ein ein Hektar großer Tropenwald dagegen nur noch 140 Tonnen Biomasse pro Hektar. Die Biomasse in den Waldresten sank in dieser Studie also auf bis zu 60 Prozent.

Nicht nur Rodungsflächen gehen verloren

„Diese Erkenntnis hat große Bedeutung für die Funktion der Tropenwälder als Biomassespeicher. Es ist wichtig, sich klar zu machen, dass man mehr als nur die Rodungsflächen verliert. Auch der übrig gebliebene Wald wird dabei ausgedünnt. Es ist ein Fehler, nur in Gesamtflächen zu denken. Wir müssen anfangen, auch über die räumliche Konfiguration der verbleibenden Waldfläche nachzudenken“, erläutert Jürgen Groeneveld vom UFZ die klimapolitische Bedeutung der Studie.

Über den Biomasseertrag pro Hektar hinaus haben diese fragmentierungsbedingten räumlichen (Rand-)Effekte auch Auswirkungen auf Klimabilanz und Biodiversität – also gleich auf mehrere Dimensionen von Nachhaltigkeit.

Waldfragmente weniger leistungsfähig als zusammenhängende Wälder

Die Simulationsstudie integrierte qualitativ Ergebnisse anderer Wissenschaftler, die im Amazonas einzigartige Langzeitexperimente zur Landschaftszerschneidung durchführen. Noch sind allerdings viele Frage offen: Bleiben die Ränder stabil? Kann sich der Wald regenerieren oder setzt sich der Abbau nach innen fort? Die Forscher sehen die Zahlen daher als erste vorsichtige Schätzung.

„Wenn es sich aber bestätigt, dann ist das ganz fundamental: Waldfragmente können nicht dasselbe leisten wie zusammenhängende Wälder“, erklärt Sandro Pütz. Die Forscher wollen daher in den nächsten Jahren die Langzeiteffekte untersuchen, um herauszufinden, wie sich die Reste der Tropenwälder langfristig entwickeln. Die Ergebnisse dieser Studie haben nach Angaben der Forscher auch grundlegende Konsequenzen für den Schutz von Wäldern, zumindest hinsichtlich der Kohlenstoffbilanz: „Es ist auf alle Fälle besser im Sinne der Kohlenstoffspeicherung, 100 zusammenhängende Hektar zu schützen als einhundert mal je einen Hektar“, meint Groeneveld.

Obwohl nur noch etwa ein Achtel der ursprünglichen Waldfläche des Küstenregenwaldes in Brasilien übrig ist, gelten diese Reste trotzdem weiterhin als ein Hotspot der Artenvielfalt mit globaler Bedeutung, da sie eine noch nicht ganz beschriebene, aber beeindruckende Anzahl nur hier vorkommender und zudem stark bedrohter Tier- und Pflanzenarten beherbergen. © Christoph Knogge / UFZ

Tropischer Küstenregenwald untersucht

Die Daten für das Modell stammen aus dem tropischen Küstenregenwald im brasilianischen Bundesstaat São Paulo. Die Mata Atlântica wurde bereits seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts großflächig abgeholzt, um Bauholz, Holzkohle, Weideland und Ackerflächen zu gewinnen. Obwohl nur noch etwa ein Achtel der ursprünglichen Waldfläche übrig ist, gelten diese Reste trotzdem weiterhin als ein Hotspot der Artenvielfalt mit globaler Bedeutung, da sie eine noch nicht ganz beschriebene, aber beeindruckende Anzahl nur hier vorkommender und zudem stark bedrohter Tier- und Pflanzenarten beherbergen.

Seit 2003 untersuchen deshalb brasilianische und deutsche Forscher die Langzeitauswirkungen von Landschaftszerschneidung auf die Lebensräume in der Mata Atlântica, die sich einst flächendeckend über die gesamte Ostküste Brasiliens erstreckte und heute einer der am meisten bedrohten tropischen Wälder ist.

Ergebnisse mit Bedeutung für Kopenhagen

Die neuen Erkenntnisse der ökologischen Modellierer unter der Leitung von Andreas Huth und Klaus Henle sind auch von Bedeutung für die Verhandlungen auf der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen. Dort wird unter dem Titel REDD – Reducing Emissions from Deforestation and Degradation – ein Mechanismus diskutiert, der die Wälder in den Klimaschutz einbeziehen soll.

Denn Wald bindet Kohlendioxid – seine Abholzung oder seine Degradation führen zur zusätzlichen Freisetzung oder zukünftig geringeren Fixierung von Kohlendioxid pro Flächeneinheit und verstärken so den Treibhauseffekt. Rund 20 Prozent der gesamten CO2-Emissionen weltweit stammen aus der Vernichtung von Wald.

(idw – Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ, 11.12.2009 – DLO)

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