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Genetik

Hefe im Dornröschenschlaf

Forscher identifizieren Gene, die die Langlebigkeit von Hefezellen bei geringen Temperaturen begrenzen

Zellen altern umso schneller, je aktiver der Stoffwechsel ihres Organismus ist. Dabei entstehen freie Radikale, die Zellen schädigen. Wie diese jedoch das Altern beeinflussen, ist umstritten. Die Identifizierung von 93 Mutationen, die Hefezellen ein Überleben für mehrere Jahre bei vier Grad Celsius ermöglichen, bietet nun neue Einblicke in diesen Prozess. Die Forscher berichten über ihre Ergebnisse in der aktuellen Online-Ausgabe der Fachzeitschrift „Aging“.

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Hefezellen sind ein begehrtes Modell der Alterungsforschung. Wie alle lebenden Organismen haben sie eine begrenzte Lebensdauer. Diese wird durch ihre Genetik, Stoffwechselrate und Umwelt beeinflusst. Gleichzeitig können Biologen sie im Labor leicht manipulieren, beispielsweise einzelne Gene ausschalten.

Fehlende Gene garantieren längeres Überleben

Forscher um Markus Ralser vom Max-Planck-Institut für molekulare Genetik haben daher systematisch untersucht, ob das Überleben von Hefezellen bei vier Grad Celsius durch das Entfernen einzelner Gene verlängert werden kann.

Dazu wurden 5.150 Hefestämme, denen jeweils ein Gen fehlte, nach Langzeit-Lagerung im Kühlraum beobachtet. Nach einem Jahr waren noch fast alle Hefe-Kolonien lebensfähig, nach insgesamt fünf Jahren jedoch nur noch ein Bruchteil. Anschließende Tests zeigten, dass den sehr widerstandsfähigen Hefezellen insgesamt 93 Gene fehlten. Diese spielen vor allem im grundlegenden Zellstoffwechsel eine Rolle.

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…wie in einem Dornröschenschlaf

Bei niedrigen Temperaturen überleben Hefezellen deutlich länger als bei höheren. So enthält eine Hefekultur bei 30 Grad Celsius für zwei bis vier Wochen lebende Zellen, bei vier Grad Celsius jedoch leben Hefestämme in der Regel ein Jahr und länger. Grund: Der Stoffwechselumsatz und die Wachstumsrate von Hefe sind bei niederen Temperaturen stark reduziert. Die Zellen „dämmern“ wie in einem Dornröschenschlaf.

Im Zuge der Stoffwechselprozesse entstehen durch Zellatmung freie Radikale. Sie besitzen ein ungepaartes Elektron und reagieren daher extrem leicht mit anderen Molekülen. Bei geringer Stoffwechselrate werden durch diesen Prozess weniger freie Radikale freigesetzt als bei hoher. Bei niedrigen Temperaturen wie in der Berliner Langzeitstudie, sollte die Bildung von freien Rakdikalen durch den Stoffwechsel deshalb keine große Rolle spielen. Doch auch hier lebten Hefezellen mit defektem Primärstoffwechsel länger.

Anti-Oxidations-Maschinerie verbraucht viel Energie

„Ein hoher Stoffwechsel schädigt Zellen auch noch durch andere Mechanismen“, sagt Ralser. „Anscheinend sind diese eher dafür verantwortlich, dass sich die Lebensspanne verkürzt.“ Welche dies genau sind, wissen die Wissenschaftler bisher jedoch noch nicht.

Die Forscher fanden aber heraus, dass die langlebigen Hefestämme in der Regel schlechter gegen oxidativen Stress geschützt sind als durchschnittliche Hefestämme. „Die ganze Anti-Oxidations-Maschinerie braucht unheimlich viel Energie. Diese Energie kann die Hefe aber natürlich über einen Zeitraum von fünf Jahren gut gebrauchen“, sagt Ralser. „Zellen, die auf den teuren Schutz verzichten, haben somit einen Vorteil.“ Anscheinend ist Langlebigkeit nicht generell an die Fähigkeit gebunden, mit oxidativem Stress umzugehen.

(MPG, 10.12.2009 – DLO)

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