127 Jahre vor Christus. So alt ist das Eichenholz, aus dem die drei wertvollsten Stücke des Württembergischen Landesmuseums geschnitzt sind. Archäologen fanden den Hirsch und die beiden Steinböcke schon 1978 in Fellbach-Schmieden bei Stuttgart in Überresten einer keltischen Anlage. Jedoch konnten sie die kunstvoll gearbeiteten Figuren bis jetzt nicht eingehend untersuchen ohne, dass sie dabei Schaden genommen hätten. Jetzt setzten die Archäologen weltweit erstmals einen Computertomographen ein, um empfindliche archäologische Objekte zu datieren und zu untersuchen.
Vorsicht geboten
Zerbrechlich und einzigartig: diese Kombination verbot es bis jetzt die Stücke genauer zu untersuchen. Denn das hätte bedeutet, sie anzubohren oder zu zersägen. Doch jetzt haben sich die Archäologen des Museums mit der Fachhochschule Aalen und der Universität Hohenheim zusammengetan und die Figuren mit einem industriellen Computertomographen durchleuchtet. Diese Geräte nutzen das Röntgen-Prinzip, machen aber statt der einen, hunderte von Aufnahmen. Dazu fährt das Aufnahmegerät rund um den Gegenstand herum, der in einer Art Röhre liegt. Ein Computer setzt die Daten zu einem dreidimensionalen Modell des zu untersuchenden Gegenstandes zusammen. Industrielle Geräte, wie das für das Projekt eingesetzte, können heute schon Strukturen erkennen, die nur 0,005 Millimeter groß sind.
Alte Kunst als Patient
Normalerweise helfen Computertomographen Ärzten Tumore und krankhafte Organe zu erkennen oder auch einen Bandscheibenvorfall. In der Industrie untersuchen sie Bauteile auf Fehler und vermessen sie hochgenau. Die zerstörungsfreie Untersuchung wertvoller Artefakte hingegen ist eine neue Möglichkeit sie einzusetzen. Der erste Versuch hat alle Beteiligten begeistert. „Sensationell!“ urteilt der Agrarbiologe Michael Friedrich vom Institut für Botanik der Universität Hohenheim über die Bilder des Aalener Computertomographen. „Wir können mit dieser Methode Strukturen erkennen, die sonst nur unter dem Lichtmikroskop zu erkennen wären.“ Zu diesen Strukturen gehören auch die Jahresringe, mit denen sich Friedrich beschäftigt. Mit ihrer Hilfe kann das Alter von Bäumen bestimmt werden. Die Dendrochronologie geht sogar noch einen Schritt weiter. Diese Wissenschaft untersucht tausende von Bäumen, um über das Muster der Jahresringe herauszufinden, wann ein Baum gewachsen ist (mehr dazu hier).
Enthält: Konservierungsmittel
Außer den Jahresringen konnte der Restaurator des Museums erkennen, wie gut die Konservierung der morschen Holzfiguren geklappt hat. Denn: Das Holz über 2.000 Jahre im feuchten Boden eines alten Brunnens gelegen, wo es vor dem Verfall geschützt war. Gelangt jetzt Luft an die Figuren, so verdunstet das Wasser aus den Poren und die Figuren zersetzen sich. Daher muss das Wasser im Holz durch Konservierungsmittel ersetzt werden. Mit den neuen Daten kann der Restaurator feststellen, ob der Austausch geklappt hat. Und noch ein Gutes hat die neue Methode: Da die Figuren so zerbrechlich sind, konnten sie bis jetzt weder ausgeliehen werden, noch Abgüsse hergestellt werden. Mit den Daten aus demComputertomographen können jetzt exakte Repliken hergestellt werden, die auch in anderen Museen gezeigt werden können.
(Württembergisches Landesmuseum / GeoUnion, 28.06.2004 – Kirsten Achenbach – Forschungszentrum Ozeanränder)