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Neurobiologie

Wie das Gehirn Ruhe in ruckelnde Bilder bringt

Die neuronale Verarbeitung von Blicksprüngen wird durch selektive Reduktion von Nervenzellaktivität vorbereitet

Um scharf zu sehen, führen unsere Augen ständig winzige Bewegungen durch. Wenn das Gehirn dieses ständige Rucken nicht ausgleichen würde, sähen wir alles verschwommen. Wie genau dieser Ausgleich funktioniert, hat jetzt ein deutsch-amerikanisches Forscherteam herausgefunden. Sie stellten fest, dass schon vor Beginn der Augenbewegung die Nervenzellaktivität in einigen Gehirnregionen systematisch reduziert wird – allerdings in unterschiedlichem Maße, wie sie im „Journal of Neuroscience“ berichten.

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Beim Lesen dieser Nachricht bewegen sich Ihre Augen ruckartig von einem Punkt zum anderen. Während dieser Augenbewegungen, Sakkaden genannt, bewegt sich das Bild des ruhenden Textes mit fast 1.000° pro Sekunde über Ihre Netzhaut. Würde man die heimische Videokamera so schnell durch eine Szene bewegen, würde man nur noch graue Streifen auf dem Display sehen. Dass wir trotzdem eine stabile Umwelt sehen, verdanken wir der Vorbereitung dieser Blicksprünge in unserem

Gehirn.

Erst Blicksprünge erlauben scharfes Bild

Alle Tiere mit einem Bereich des schärfsten Sehens innerhalb der Netzhaut sind gezwungen, die Augen zu bewegen, um ein hochauflösendes Bild der Umwelt zu erhalten. Zu diesen Tieren gehört auch der

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Mensch. „Dass wir trotz der schnellen Blickrichtungswechsel den Eindruck haben, dass die Umwelt stabil ist und wir alles klar erkennen können, ist eines der größten Rätsel der visuellen Neurowissenschaften“, erklärt Frank Bremmer, Professor für Neurophysik an der Universität Marburg. Gemeinsam mit Kollegen der Ruhr- Universität Bochum und der Rutgers-Universität in den USA hat der Forscher nun aufgeklärt, wie das Gehirn diese Augenbewegungen kompensiert.

Aktivität wird nur teilweise herunter geregelt

In Ihrer Studie wiesen die Wissenschaftler mittels Einzelzellableitungen an wachen, trainierten Affen nach, dass in bestimmten Regionen des Gehirns schon vor Beginn der Augenbewegung die Nervenzellaktivität systematisch reduziert wird. „Allerdings, und dies war überraschend, war die Modulation der neuronalen Aktivität in jedem der untersuchten Hirngebiete unterschiedlich“, erläutern die Forscher.

Gängige Hypothese widerlegt

Dieses Resultat widerspricht der bisher gültigen Hypothese, nach der schon zu Beginn der visuellen Verarbeitung an allen Stationen nach dem Auge die Aktivität reduziert wird. Dadurch stünde die Sehinformation global nicht mehr zur Verfügung. Die von den Forschern vorgefundene Modulation der

Nervenzellaktivität entsprach zeitlich jedoch genau derjenigen, die zuvor in psychophysischen Experimenten am Menschen beschrieben worden war. Die Wissenschaftler konnten somit erstmals das neuronale Korrelat dieser Verhaltensdaten nachweisen.

(Ruhr-Universität Bochum, 13.11.2009 – NPO)

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