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Chemie

Geheimnis der Kohlensäure gelüftet

Erstmals ultrakurze Lebenszeit der Kohlensäure in Wasser in Echtzeit verfolgt und Säurestärke bestimmt

Kohlendioxid-Bläschen im Mineralwasser © SXC

Sie ist in allen Mineralwässern vorhanden und gibt Forschern trotzdem noch Rätsel auf: die Kohlensäure. Weil sie so schnell zerfällt, war bisher weder ihre Lebensdauer im Wasser noch ihre Säurestärke genau bekannt. Jetzt aber haben Wissenschaftler mittels Ultrakurzzeitspektroskopie das Geheimnis der Kohlensäure gelüftet. Die jetzt in „Science Express“ veröffentlichten Ergebnisse sind auch für das Verständnis vieler Umweltprozesse wichtig, wie dierÜbersäuerung der Ozeane, der Verwitterung von Gesteinen oder der Lagerung von Kohlendioxid in Sedimentschichten.

Was im Volksmund Kohlensäure genannt wird, ist eigentlich das Gas Kohlendioxid. Dieses verbindet sich in wässrigen Lösungen mit einem Molekül Wasser und wird zur Kohlensäure – theoretisch. Denn diese Säure ist nicht stabil, sondern zerfällt sehr schnell in Kohlendioxid (CO2) und Wasser (H2O) – so schnell, dass bislang niemand Kohlensäure im Wasser als intaktes Molekül nachweisen konnte. Vor zwanzig Jahren erst hat man Kohlensäure als isoliertes Molekül in der Gasphase oder eingefroren in Eis überhaupt nachgewiesen.

In der extrem kurzen Zeit ihrer Existenz reagiert die Kohlensäure aber trotzdem wie eine typische Säure indem sie ein Proton abgibt. Es bleibt dann ein Bicarbonat-Ion zurück. „Diese Reaktion war wegen der schnellen Zerfallszeit der Kohlensäure bisher kaum Messungen zugänglich“, erklärt Erik Nibbering vom Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie. Ihm und seinen Kollegen ist es nun erstmals gelungen, Kohlensäure auch im Wasser zu detektierten.

Beschuss mit ultrakurzen Lichtblitzen

Die Forscher untersuchten mit Femtosekundenlaserpulsen, wie schnell sich die Kohlensäure aus einem Bicarbonat-Ion und einem Proton bildet und wie lange sie stabil bleibt. Aus der Bildungsreaktion der Kohlensäure – der Protonierung – konnten sie Rückschlüsse auf ihre Reaktion als Säure ziehen. Als

Protonenspender verwendeten sie sogenannte Photosäuren. Das sind chemische Verbindungen, die sich durch Anregung mit Licht von einer schwachen Säure in eine starke Säure verwandeln. „Diese Photosäuren sind für unsere Experimente ideal, weil wir so den Zeitpunkt der Protonenabgabe genau bestimmen können“, so Nibbering.

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Die Forscher beschossen eine Lösung aus Bicarbonat und Photosäure und mit ultrakurzen Lichtblitzen. Dadurch wird die Photosäure „sauer“, sie gibt ihr Proton ab, welches vom Bicarbonat aufgenommen wird, was dadurch zur Kohlensäure wird. Mit einem zweiten, kurz darauf folgenden Lichtblitz konnten

die Forscher typische Molekülschwingungen messen und dadurch sehen, wie viel Kohlensäure sich gebildet hatte. Dieses Experiment wiederholten sie immer wieder, nur dass sie den zweiten Blitz minimal zeitversetzt aussendeten.

All das spielte sich in unvorstellbar kurzer Zeit, in Laufe von nur Femtosekunden ab. Eine Femtosekunde ist der millionste Teil einer Milliardstel Sekunde. Für die Protonierungszeit von Bicarbonat konnten sie auf diese Weise sechs Pikosekunden ermitteln, das sind 6.000 Femtosekunden. Da dies eine relativ langsame Protonierungszeit ist, zogen die Forscher den Schluss, dass Wassermoleküle eine aktive Rolle in der Übergabe des Protons von der Photosäure zum Bicarbonat spielen müssten.

Säurestärke der Kohlensäure genau bestimmt

Weil Kohlensäure so schnell zerfällt, konnten Chemiker bislang auch ihre echte Azidität – ihre Säurewirkung – nur abschätzen. Das chemische Standardexperiment zur Untersuchung der Säurestärke – die sogenannte Titration – ergibt immer eine Säurekonstante von 6,35; hier ist aber der Zerfall der Kohlensäure mit inbegriffen. Anhand der ultraschnellen Protonierungsexperimente und nachfolgender mathematischer Modellierungen konnten die MBI-Chemiker nun die Säurekonstante der Kohlensäure in wässriger Lösung mit 3,45 ± 0.15 nun viel genauer angeben. Sie ist damit eine milde Säure, deren Azidität die zwischen der von Methansäure und Essigsäure liegt.

(Forschungsverbund Berlin, 13.11.2009 – NPO)

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