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Botanik

Auch Pflanzen sind altruistisch

Springkraut erkennt Verwandte und verändert daraufhin ihre normalerweise ausgeprägte Konkurrenzreaktion

Können Pflanzen Verwandte erkennen? Und wenn ja, gibt es unter ihnen so etwas wie Altruismus – ein Zurückstecken zugunsten naher Angehöriger? Ein jetzt im „American Journal of Botany“ veröffentlichter Versuch legt beides nahe. Eine nordamerikanische Springkraut-Art veränderte ihre normale Reaktion gegenüber konkurrierenden Nachbarpflanzen bei Lichtmangel, wenn es sich bei diesen um Verwandte handelte.

Das Konzept des Altruismus wird seit langem in philosophischen Kreisen diskutiert. Seit einigen Jahren ist dieses Thema jedoch auch in der Evolutionsbiologie aktuell. Nach Ansicht der Biologen könnte Altruismus im Tierreich durch die Selektion begünstigt werden. Denn wenn ein Tier „altruistisch“ für das gute Überleben seiner Nachkommen oder eines andere engen Verwandten sorgt, gibt es damit zahlreiche Gene weiter, die es mit diesen Verwandten teilt. Damit lebt es quasi „indirekt“ weiter. Aus dem Tierreich sind altruistische Verhaltensweisen wie Brutpflege oder der Schutz anderer Rudelmitglieder bekannt, ebenso das Erkennen von Verwandten und generell soziales Verhalten.

Impatiens: Größere Blätter bei Konkurrenz um Licht

Doch wie sieht es damit im Pflanzenreich aus? Sind Pflanze überhaupt im Stande, nahe Angehörige von nicht verwandten Individuen der gleichen Art zu unterscheiden? Genau diese Frage stellten sich Guillermo Murphy und Susan Dudley von der McMaster Universität in Ontario, Kanada. Sie untersuchten die Fähigkeit zur Verwandtenerkennung bei Impatiens pallida, einer nur in Nordamerika heimischen Springkrautart. Bei dieser Pflanze ist oft zu beobachten, dass miteinander verwandte Individuen sehr nahe beieinander wachsen, obwohl die Art für ihre starke Reaktion auf Konkurrenz bekannt ist.

In Orten mit nur geringem Lichteinfall, wie beispielsweise dem Unterholz von Bäumen, verändert die Pflanze bei Anwesenheit von konkurrierenden Pflanzen ihr Wachstumsverhalten. Sie schickt vermehrt Nährstoffe in die Blätter, um diese so groß wie möglich werden zu lassen, und dafür weniger in Spross und Wurzeln. Dadurch maximiert sie ihre Blattfläche und kann dadurch nicht nur mehr Licht aufnehmen, sondern auch Konkurrenten buchstäblich in den Schatten stellen.

Abweichende Reaktion bei verwandten Nachbarpflanzen

Murphy und Dudley testeten nun das Konkurrenzverhalten von Impatiens pallida durch Wachstumsversuche mit Gruppen von verwandten und nicht verwandten Pflanzen, bei denen sie zwei Faktoren veränderten: zum einen die Lichtmenge, zum anderen die Präsenz der Wurzeln einer anderen Pflanze im Boden.

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Es zeigte sich, dass sich die Reaktion der Pflanzen in der Verwandtengruppe bei Lichtmangel tatsächlich signifikant von der der nicht verwandten unterschied: Wuchsen sie zwischen Angehörigen, erfolgte keine Nährstoffumverteilung, die Blätter blieben klein, stattdessen vermehrten sich Verzweigungen und Länge des Sprosses. Unter Nichtverwandten aber reagierten die Pflanzen wie gehabt: Größere Blätter, maximale Beschattung der Nebenpflanzen.

Wurzelkommunikation entscheidend für Erkennung

Nach Ansicht der Forscher spricht dies dafür, dass das Springkraut erkennen kann, ob eine benachbarte Pflanze verwandt ist oder nicht. Das erhöhte Sprosswachstum könnte demnach ein Versuch der Pflanze sein, die benötigten Lichtressourcen zu bekommen, ohne die um sie herum wachsenden Verwandten zu schädigen.

Eine Einschränkung gab es dabei jedoch: Dieses veränderte Verhalten trat immer nur dann auf, wenn Impatiens mit Wurzelnachbarn zusammen wuchs. Das deutet, so die Wissenschaftler, darauf hin, dass eine Kommunikation zwischen den Pflanzenwurzeln die entscheidende Voraussetzung für die Verwandtenerkennung sein könnte.

Damit stellt dieser Versuch in jedem Falle den ersten Beleg dafür dar, dass eine Reaktion der Pflanze auf einen Reiz oberhalb des Bodens von der Präsenz eines unterirdischen Reizes abhängt. Gleichzeitig, so die Forscher, demonstriert es, dass es auch im Pflanzenreich so etwas wie Altruismus gibt: Unter Verwandten reizt Impatiens seine Konkurrenzreaktionen nicht bis zum äußersten aus, sondern nutzt eine alternative, für die Umwachsenden weniger schädliche Strategie.

(American Journal of Botany, 12.11.2009 – NPO)

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