Die „Neue Grippe“ oder „Schweinegrippe“ ist derzeit in aller Munde: Impfen oder nicht und mit welchem Wirkstoff ist die Frage – dabei werden viele der wichtigen Fragen gar nicht gestellt. Wie geht das Leben weiter, falls die Grippe kommt, oder auch irgendeine andere ansteckende Krankheit? Kann man sich für den Ernstfall wappnen? Ja, man kann und sollte sich vorbereiten, lautet das Fazit eines Bochumer Wissenschaftlers.
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Er plädiert für eine ehrliche Informationspolitik, Vertrauen in die Bürger und frühzeitige Übung des Krisenfalls für Helfer und Einsatzkräfte.
Aufklärung und Information der Bevölkerung
„Wir leben in Mitteleuropa in einer klimatisch und sozial sehr sicheren und risikoarmen Gegend und stehen in der Gefahr, unser Risikobewusstsein für alle möglichen Arten von Risiken und Unsicherheiten schwach werden zu lassen“, so die Analyse von Professor Hans-Martin Sass vom Zentrum für Medizinische Ethik der Ruhr-Universität Bochum.
Der Forscher hält es für sinnvoll, sich schon heute Gedanken zu machen, wie im Falle einer Pandemie – sei sie natürlich entstanden oder durch Bioterror mutwillig hervorgerufen – agiert werden soll. Als unentbehrlich sieht er die ehrliche Aufklärung und Information der Bevölkerung, auch über Unsicherheiten.
Geheimniskrämerei ist schädlich
Die „Geheimniskrämerei“ der Regierungen gefährde nicht zuletzt auch ihre Vertrauenswürdigkeit, auf die es im Krisenfall ankommt. Gut informierte Bürger könnten zudem selbst eine ganze Menge tun, um im Ernstfall besser geschützt zu sein.
Zu den einfach zu treffenden Vorkehrungen zählt Sass zum Beispiel die Bevorratung mit Lebensmitteln, die es erlaubt, potentiell ansteckende Kontakte möglichst einzuschränken und die das Überleben auch in Zeiten ermöglicht, in denen das öffentliche Leben womöglich aufgrund massenhafter Erkrankungen zusammenbricht. Als ebenso wichtig erachtet der Medizinethiker das frühzeitige Training von Ordnungskräften und medizinischem Personal.
Ethik im Notfall ist anders
Sass reflektiert außerdem ethische Gesichtspunkte unter den Voraussetzungen verschiedener Szenarien, angefangen bei einer einfachen Pandemie mit bis zu 50 Prozent Infizierten und bis zu 20 Prozent Toten bis hin zum Worst Case Szenario mit über 50 Prozent Toten. Sein Schluss: „Die Ethik im Notstand unterscheidet sich in ihren Maßnahmen und Regeln, nicht aber in ihren Werten, von der Ethik im Normalfall.“
Konkret heißt das, dass Mittel wie Ausgangssperren und Impfzwang im Notfall durchaus angebracht sein können, jedoch nur, wenn es kein anderes Mittel mehr gibt und sie wirklich Erfolg versprechen. Im Notfall tritt nach Angaben des Forschers das Überleben der Allgemeinheit an die Stelle des Wohls des Einzelnen – ein Gegensatz zwischen Hippokratischem Grundsatz der Medizin und „Public Health“.
Eigenes Gewissen als letzte Instanz
„Die letzte Instanz wird immer das eigene Gewissen des Handelnden sein“, so Sass. Umso wichtiger, dass sich jeder mit den Gegebenheiten und Handlungsoptionen in einer Krise vertraut macht, bevor sie eintritt.
(idw – Ruhr-Universität Bochum, 23.10.2009 – DLO)