Wissenschaftler haben vier Geschmackssensoren identifiziert, mit denen Menschen die bitterste natürliche Substanz der Welt wahrnehmen. Amarogentin, ein Bitterstoff aus Enzian, war bisher zwar bekannt, aber seine zugehörenden Rezeptoren auf der Zunge nicht. Die neuen Erkenntnisse tragen dazu bei, die Entstehung von Nahrungspräferenzen zu verstehen, aber können auch helfen, Bitterblocker für Medikamente zu entwickeln.
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Amarogentin, ein Bitterstoff aus Enzian, ist der bitterste natürliche Stoff der Welt. Er ist noch in einer Verdünnung von eins zu 58 Millionen deutlich wahrnehmbar. Das heißt, wenn man ein Schnapsglas (2cl) Amarogentin in einer Wassermenge verdünnt, die etwa 5.800 Badewannenfüllungen entspricht, würde man sie immer noch schmecken. Obwohl Forscher die Substanz seit langem kennen, waren die molekularen Sensoren für diesen Bitterstoff bislang unbekannt.
Zuordnung von Stoff und Rezeptoren noch unvollständig
Bitterstoffe nimmt der Mensch mit Hilfe von kleinen Eiweißmolekülen wahr, den so genannten Bittergeschmacksrezeptoren, die auch mit TAS2R bezeichnet werden. Diese sitzen wie Sensoren oder Antennen auf der Spitze von Geschmackszellen. Bindet eine Substanz an den für sie passenden Bitterrezeptor, so wird ein Signal in der Zelle ausgelöst, das ans Gehirn weitergeleitet wird – wir registrieren: Es schmeckt bitter. Obwohl seit etwa sieben Jahren alle 25 menschlichen Bitterrezeptor-Gene bekannt sind, ist es weltweit noch nicht gelungen, für jeden Bitterstoff die passenden Bitterrezeptoren zu identifizieren. Ebenso gibt es auch immer noch zehn, so genannte „verwaiste“ Rezeptortypen, denen die Forscher bislang noch keinen Bitterstoff zuordnen konnten.
Verwaister Rezeptor schmeckt Amarogentin
In der vorliegenden Studie untersuchten die Forscher um Wolfgang Meyerhof vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) und Wissenschaftler der Universität Piemont in Italien eine Untergruppe von acht der 25 Rezeptortypen (TAS2R43 bis 50) auf Wechselwirkungen mit verschiedenen Bitterstoffen. Wie die Wissenschaftler nun erstmals zeigen, aktiviert Amarogentin vier dieser acht Sensoren, zu denen auch der bis dato als „verwaist“ eingestufte TAS2R50 gehört.
Für diesen Rezeptortyp konnten die Forscher auch noch einen zweiten Aktivierungspartner identifizieren – nämlich den Bitterstoff Andrographolide. Die Ergebnisse dieser Studien seien der erste Schritt zur weiteren Charakterisierung der Rezeptoren, so Maik Behrens, Erstautor der Studie.
Bitterstoffe mit positiver Wirkung
Allgemein gilt, dass die Bitterrezeptoren vor dem Verzehr giftiger Stoffe warnen. Man findet sie auf der Zunge, aber auch im Bereich des Gaumens, des Rachens und des Kehlkopfs. Weder Amarogentin noch Andrographolide gehören jedoch zu den sehr giftigen Bitterstoffen. Verschiedene Studien weisen sogar darauf hin, dass sie in Dosen, die eben noch im menschlichen Wahrnehmungsbereich liegen, gesundheitsförderliche Wirkungen besitzen.
Das Ergebnis einer Tierstudie weist beispielsweise darauf hin, dass Amarogentin zur Behandlung von Leishmaniose geeignet sein könnte. Auch Andrographolide ist therapeutisch wirksam. Diese Substanz ist in größeren Mengen in der ayurvedischen Heilpflanze Maha-tita (king of bitters) enthalten, welche in Südasien verwendet wird, um Infektionen zu behandeln.
(Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE), 14.10.2009 – NPO)