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Paläontologie

Missing Link der Flugsaurier entdeckt

Übergangsform aus dem Jura mit überraschendem Merkmalsmix

Der Schädel des Darwinopterus ist 18,5 Zentimeter lang. © Lü Junchang

Einen völlig neuen Typ eines Flugsauriers hat ein deutsch-chinesisches Forscherteam jetzt in China entdeckt. Der rund 160 Millionen Jahre alte Pterosaurier stellt ein lange gesuchtes Missing Link zwischen den beiden bisher bekannten Gruppen der primitiven und der weiterentwickelten Flugsaurier dar. Allerdings weist er zahlreiche äußerst überraschende Merkmale auf, die auf eine schnelle und sprunghafte Evolution hindeuten. Details des neuen Fundes sind jetzt in der Fachzeitschrift „Proceedings of the Royal Society B“ erschienen.

Pterosaurier, große, fliegende Saurier, dominierten den Luftraum der Erde Millionen Jahre lang. Das gesamte Zeitalter der Dinosaurier hindurch, vor 220 bis vor 65 Millionen Jahren jagten sie am Himmel. Seit langem kennen Wissenschaftler zwei große Gruppen der Pterosaurier: primitive, langschwänzige Formen und ihre Nachfahren, weiterentwickelte, kurzschwänzige Arten, von denen einige gigantische Größen erreichten. Beide Gruppen waren bisher durch eine große evolutive Lücke getrennt – Übergangsformen fehlten.

„Lückenfüller“ verblüfft die Forscher

Doch jetzt hat eine Forschergruppe der britischen Universität von Leicester und des Geologischen Instituts in Peking, China, einen völlig neuen Typ von Pterosauriern entdeckt, der die bisherige Lücke schließt – Allerdings auf überraschend andere Weise. Zu Ehren des 200 Geburtstages von Charles Darwin „Darwinopterus“ – Darwins Flügel – getauft, wurden die mehr als 20 fossilen Skelette dieser Form im Nordosten Chinas gefunden und auf ein Alter von rund 160 Millionen Jahren datiert. Damit liegt die Lebenszeit dieser Tiere an der Grenze zwischen dem mittleren und späten Jura und nur rund zehn Millionen Jahre vor dem ersten Archäopteryx.

Darwinopterus auf der Jagd nach einen kleinem gefiederten Dinosaurier (Anchiornis). © Mark Witton, University of Portsmouth

„Darwinopterus hat uns geradezu geschockt”, erklärt David Unwin von der Universität Leicester. „Wir haben immer einen Lückenfüller mit typischen Übergangsmerkmalen erwartet, wie beispielsweise einem mittleren Schwanz – weder lang noch kurz – aber das seltsame an Darwinopterus ist, dass er einen Kopf und Hals wie weiterentwickelten Pterosaurier hat, während der Rest des Skeletts, darunter auch der lange Schwanz, mit den primitiven Formen identisch ist.“

Seltsamer Mix aus primitiven und modernen Merkmalen

Die lange Schnauze, Reihe von scharfen, spitzen Zähnen und der ziemlich biegsame Hals dieses Krähengroßen Flugsauriers deuten nach Ansicht der Forscher darauf hin, dass das Reptil ähnlich wie die heutigen Habichte gejagt haben könnte: Indem es fliegende Beute fing und tötete. Zu seinen Beutetieren gehörten vermutlich verschiedene andere Pterosaurier und kleine gleitfliegende Säugetiere, aber auch die taubengroßen, fleischfressenden Dinosaurier, die mit Hilfe ihrer gefiederten Arme und Beine gerade gelernt hatten, sich in die Luft zu erheben und die sich später in der Evolutionsgeschichte zu Vögeln entwickeln sollten.

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Skelett eines Darwinopterus © Lü Junchang

Gruppen von Merkmalen veränderten sich als Ganzes

„Das geologische Alter von Darwinopterus zusammen mit der bizarren Kombination von fortgeschrittenen und primitiven Merkmalen enthüllt eine ganze Menge über die Evolution der Pterosaurier“, erklärt Unwin. „Zum einen war sie schnell mit vielen großen Änderungen in kurzer Zeit. Zum zweiten haben sich Gruppen von Merkmalen, die wichtige Strukturen bilden, wie den Kopf, Hals oder Schwanz, zusammen entwickelt.“ Doch nicht alle diese Module, wie die Forscher diese funktionellen Gruppen nennen, veränderten sich zur gleichen Zeit.

Stattdessen machte der Kopf den Anfang, später gefolgt vom Körper, Schwanz und den Flügeln und Beinen. Es scheint, so die Forscher, dass die natürliche Selektion nicht auf die einzelnen Merkmale wirkte, wie es zu erwarten wäre, sondern stattdessen auf ganze Gruppen. Statt der Form eines einzelnen Zahns oder der Schnauze, veränderte sich gleich der gesamte Schädel. Diese Interpretation der Skelettfunde und der Pterosaurierentwicklung könnten damit die bis heute umstrittene These einer schnellen, modularen Evolution unterstützen.

Schnelle Evolution und Selektion durch gruppenweise Entwicklung?

Das Forscherteam warnt jedoch, dass für Bestätigung dieser Theorie noch weitaus mehr Forschung nötig wäre. Wenn sie sich allerdings als korrekt herausstellen würde, dann könnte dies nach Meinung der Wissenschaftler nicht nur die Evolution der Pterosaurier zu den weiterentwickelten Formen erklären, sondern auch viele andere Fälle im Tier- und Pflanzenreich, in denen eine schnelle und umfangreiche Evolution stattgefunden haben muss. Ein Beispiel wäre beispielsweise auch die extrem schnelle und vielfältige Diversifizierung unter den Säugetieren nach dem Aussterben der Dinosaurier.

„Frustrierenderweise sind solche Ereignisse, die für einen Großteil der Vielfalt des Lebens um uns herum verantwortlich sind, nur selten als Fossilien erhalten“, so Unwin. „Schon Darwin war sich dessen sehr wohl bewusst, wie er in der ‘Entstehung der Arten’ schrieb. Er hoffte, dass einen Tages Fossilien auch diese Lücke füllen würden. Darwinopterus ist ein kleiner aber wichtiger Schritt in diese Richtung.”

(University of Leicester, 14.10.2009 – NPO)

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