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Physik

Kürzeste Lichtblitze aus ultraheißer Materie

Schwerionenkollisionen könnten Yoktosekunden-Pulse erzeugen

Kollision von Schwerionen in einer großen Beschleunigeranlage © Max-Planck-Institut für Kernphysik

Nur wenige Quadrillionstel Sekunden benötigt das Licht, um einen Atomkern zu durchqueren – solche „Yoktosekunden“-Pulse könnten theoretisch durch hochenergetische Schwerionenstöße erzeugt werden. Unter bestimmten Umständen werden dabei Doppelpulse erzeugt, mit denen die Dynamik von Atomkernen „sichtbar“ gemacht werden könnte. Das zeigen jetzt in den „Physical Review Letters“ veröffentlichte Berechnungen der Lichtemission so genannter Quark-Gluon-Plasmen, die in derartigen Stößen für extrem kurze Zeitspannen entstehen.

Für hochpräzise Spektroskopie oder Strukturuntersuchungen von Molekülen werden möglichst kurze Lichtblitze mit möglichst niedriger Wellenlänge, also hoher Photonenenergie benötigt. Derzeit sind Röntgenblitze von einigen Attosekunden (Trillionstel Sekunden) Dauer experimentell erreichbar. Noch kürzere Pulse mit noch höherer Photonenenergie würden die zeitliche und räumliche Auflösung verbessern, oder gar die Untersuchung von noch kleineren Strukturen wie zum Beispiel Atomkernen ermöglichen.

In so genannten Pump-Probe- Experimenten werden dabei mit zwei in genau steuerbarem Abstand aufeinander folgenden Pulsen schnelle Bewegungen wie in Zeitlupe beobachtet. Der erste Puls regt dabei das untersuchte System an, während der zweite Puls die Zeitentwicklung seit dem ersten Puls abfragt. Berechnungen am Max-Planck-Institut für Kernphysik zeigen nun, dass hochenergetische Schwerionenstöße in großen Teilchenbeschleunigern als Lichtquellen für die gewünschten Einfach- und Doppelpulse geeignet sind.

Materiezustand wie direkt nach dem Urknall

Das ist auf die bemerkenswerten Eigenschaften eines Quark-Gluon- Plasmas zurückzuführen. Das Quark-Gluon-Plasma gilt als der Zustand der Materie, aus dem das Universum unmittelbar nach dem Urknall bestand. Darin sind die Temperaturen so hoch, dass selbst die Bausteine der Atomkerne, die Neutronen und Protonen, in ihre Bestandteile, die Quarks, auf-gebrochen werden. Ein solcher Materiezustand kann heute in modernen Beschleunigeranlagen realisiert werden.

In der Kollision von Schwerionen – Atomen schwerer Elemente, denen Elektronen entfernt wurden – mit relativistischen Geschwindigkeiten entsteht für einige Yoktosekunden ein solches Quark- Gluon-Plasma in Atomkerngröße. Es erzeugt neben vielerlei anderen Teilchen auch Photonen mit einigen Gigaelektronenvolt Energie, sogenannte Gammastrahlung. Diese hochenergetischen Lichtblitze sind so kurz wie die Lebensdauer des Quark-Gluon-Plasmas und bestehen aus nur wenigen Photonen.

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Zeitliche Entwicklung des Quark-Gluon-Plasmas. Die beiden als farbige Scheiben dargestellten Ionen kollidieren entlang der Stoßachse (schwarzer Doppelpfeil). Bild (a) zeigt den Zeitpunkt unmittelbar nach der Kollision. Das Plasma (oranger Bereich) strahlt durch gewellte Pfeile angedeutetes Licht in alle

Abstrahlung zuerst senkrecht zur Stoßrichtung

Die Forscher haben nun die Expansion und innere Dynamik des Quark- Gluon-Plasmas in ihrem zeitlichen Verlauf simuliert. Es zeigte sich, dass die Photonen zwischendurch nicht in alle Richtungen, sondern bevorzugt senkrecht zur Stoßrichtung abgestrahlt werden. Blickt ein Detektor nahezu entlang der Stoßachse, empfängt er deshalb in diesem Zeitraum praktisch nichts, sieht also insgesamt einen Doppelpuls.

Durch geeignete Wahl von Stoßgeometrie und Beobachtungsrichtung sind die Doppelpulse im Prinzip gezielt variierbar. Somit eröffnen sie die Möglichkeit von zukünftigen Pump- Probe-Experimenten im Yoktosekundenbereich bei hohen Energien. Dies könnte zu einer zeitaufgelösten Beobachtung von Kernprozessen führen. Umgekehrt würde eine genaue Analyse der Gammablitze Rückschlüsse auf das Quark-Gluon-Plasma ermöglichen.

(Max-Planck-Institut für Kernphysik, 06.10.2009 – NPO)

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