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Neurobiologie

Babys sehen es kommen

Motorische Entwicklung lässt Nervenbahnen wachsen um drohende Gefahren zu erkennen

Beginnen Säuglinge erst mit dem Krabbeln, wenn sie in der Lage sind, drohende Gefahren zu erkennen? Oder entwickeln sie die Fähigkeit, diese zu erkennen, weil sie mobiler werden? Diese Fragen waren bisher noch nicht endgültig geklärt. Norwegische Forscher sind bei der Lösung des Problems jetzt einen entscheidenden Schritt weiter gekommen. Ihr Fazit im Springer-Fachjournal „Naturwissenschaften“: Je stärker sich der Bewegungsdrang bei Babys entwickelt, umso besser lernen sie zu erkennen, ob und wann ein Gegenstand sich direkt auf sie zubewegt.

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Bewegt sich ein Gegenstand direkt auf einen Menschen zu, wird auf der Retina ein expandierendes Bild erzeugt, das nicht nur Informationen darüber vermittelt, dass sich ein Objekt nähert, sondern auch wie drohend die Gefahr ist. Beim Erwachsenen werden durch Stimuli, die Bedrohungen anzeigen, Wellen neuronaler Aktivität in der Sehrinde hervorgerufen.

Die Wissenschaftler Ruud van der Weel und Audrey van der Meer von der norwegischen Universität für Wissenschaft und Technologie in Trondheim untersuchten jetzt, wie und wo Informationen über bevorstehende Kollisionen im Gehirn des Babys verarbeitet werden.

Gehirnaktivitäten von Babys gemessen

Im Rahmen ihrer Studie setzten die Forscher die Elektroenzephalographie (EEG) mit hoher Dichte ein, um die Gehirnaktivitäten bei 18 fünf bis elf Monate alten Babys zu messen. Als Stimulus für die herannahende Gefahr verwendeten sie einen mehrfarbigen Punkt, der sich dem Baby mit drei unterschiedlichen Geschwindigkeiten näherte. Darüber hinaus zeichneten die Wissenschaftler die Blickrichtung beider Augen auf.

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Dabei fanden sie heraus, dass die Gehirnaktivität bei Babys in Bezug auf herannahende Gefahren eindeutig in der Sehrinde auftritt. Die etwas älteren Babys – zehn bis elf Monate – waren in der Lage, die Informationen deutlich schneller zu verarbeiten als die jüngeren Babys (fünf bis sieben Monate). Diese Ergebnisse deuten nach Ansicht der Forscher darauf hin, dass gut entwickelte neuronale Netze bestehen, die bei älteren Babys bevorstehende Kollisionen registrieren, diese aber bei jüngeren noch nicht vorhanden sind. Bei acht bis neun Monate alten Babys befinden sich diese neuronalen Netze im Zwischenstadium.

Bessere Kontrolle, bessere Wahrnehmungsfähigkeiten

„Die Ergebnisse könnten als Anzeichen dafür interpretiert werden, dass geeignete neuronale Netze entwickelt werden und im Alter zwischen acht und neun Monaten die wichtigste Zeit hierfür liegt. Zufällig ist das auch das Durchschnittsalter, in dem Babys zu krabbeln beginnen. Im Hinblick auf die gemeinsame Entwicklung von Gehirn und Verhalten ist diese Annahme schlüssig“, so das Fazit der Wissenschaftler.

Und weiter: „Das bedeutet, dass Säuglinge ihre Wahrnehmungsfähigkeiten in Bezug auf drohende Gefahren verbessern, während sie eine bessere Kontrolle über ihre eigene Fortbewegung entwickeln.“

(Naturwissenschaften/Springer-Verlag Heidelberg, 25.09.2009 – DLO)

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