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Medizin

Geheimnis der kenianischen Läufer enträtselt

Forscher ergründen Langstrecken-Mysterium der Leichtathletik-WM

Kenianische Läufer beim 5.000 Meterlauf in Osaka 2007 © Eckhard Pecher/ CC 2.5

Sie dominieren seit Jahren die Langstrecken und langen Hürden-Distanzen: die Kenianer. Auch bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Berlin lagen die Athleten aus den Hochlandregionen Ostafrikas wieder weit vorne. Aber warum? Was haben die Ostafrikaner, was andere nicht haben? Genau das haben Forscher der Universität Bayreuth jetzt untersucht.

Beim Finale im 10.000 Meter Lauf der Männer in Berlin gewann zwar ausnahmsweise dann doch kein Kenianer, aber immerhin platzierten sich gleich drei von ihnen unter den ersten zehn. Beim Hindernislauf über 3.000 Meter gewannen Läufer aus dem kenianischen Hochland sowohl Gold als auch Silber. Viele andere erfolgreiche Langstreckenläufer stammen ebenfalls aus angrenzenden Ländern wie Äthiopien oder Erithräa – Regionen, die ebenfalls durch Hochebenen geprägt sind. Aber warum?

Stimmt die gängige Hypothese?

Eigentlich schien schon alles klar. „Die Fachwelt war sich sicher: Ein größeres Herz, höheres Blutvolumen und besserer Sauerstofftransport in die Muskulatur ermöglichen den kenianischen Läufern diese außergewöhnlichen Leistungen“, erklärt Nicole Prommer aus dem Team von Walter Schmidt, Professor für Sportmedizin und Sportphysiologie an der Universität Bayreuth. Eine Studie, die das Bundesinstitut für Sportwissenschaft finanziert hatte, sollte nur noch den Nachweis erbringen. Aber, so Prommer: „Wir mussten feststellen, dass wir uns geirrt hatten.“

Keine höhere Hämoglobin-Konzentration

Zehn Läufer aus dem Hochland im Westen Kenias waren für die Untersuchung nach Bayreuth gekommen. Statt auf 2.100 Metern liefen sie sechs Wochen lang auf 350 Metern Meereshöhe. Ihre Analysewerte erbrachten erstaunliche Ergebnisse: Der Hämoglobin- Gehalt im Blut der Kenianer war ebenso hoch wie bei der deutschen Vergleichsgruppe. Das hatten die Wissenschaftler angesichts der kenianischen Lebensumstände in sauerstoffärmerer Höhe nicht erwartet.

Und: Durch den Aufenthalt auf niedrigerer Höhe nahm bei den Kenianern die Hämoglobin-Menge ab, fiel sogar unter die der Deutschen. Auch das Herzvolumen war eher kleiner als das der deutschen Läufer. Schneller liefen die Kenianer trotzdem.

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Untersuchung eines kenianischen Läufers im Labor © Universität Bayreuth

Weniger Fettgewebe

Nachdem alle inneren Werte analysiert waren, nahmen sich die Bayreuther Wissenschaftler die Äußerlichkeiten vor. „Wir haben beispielsweise Beinlänge und Wadenumfang gemessen“, sagt Nicole Prommer. „Da zeigen sich die deutlichsten Unterschiede. Der Body-Mass-Index lag insgesamt niedriger als bei deutschen Läufern. Und das subkutane Fettgewebe war geringer.“

Geringerer Sauerstoffverbrauch

Doch auch das ist nur ein Teil der Begründung, warum Kenianer schneller lang laufen. Wie viel Sauerstoff verbraucht ein Athlet bei einer gewissen Geschwindigkeit? Als sich die Sportexperten der Universität Bayreuth diese Frage stellten, ergründeten sie zugleich auch, warum Kenia die Läufernation Nummer Eins ist. „Wir haben festgestellt, dass Kenianer bei Geschwindigkeiten von über 18 Kilometern in der Stunde ökonomischer laufen als unsere Gruppe der Deutschen. Afrikaner brauchen für eine gewisse Geschwindigkeit weniger Sauerstoff für ihre Muskulatur.“

Weniger Muskel ist mehr

Das liegt offenbar daran, dass die Muskelmasse optimal auf die Laufbelastung abgestimmt ist. Kenianer haben einfach nicht zu viel davon. Sie verbrauchen also auch nicht zu viel Sauerstoff für Muskelgruppen, die nicht an der Fortbewegung beteiligt sind.

Langstrecklern, die nicht diese optimalen körperlichen Voraussetzungen mitbringen, hilft die Studie allerdings nur bedingt weiter. Prommer: „Unsere Läufer werden sich jetzt vielleicht fragen: Wie weit vermindere ich das Gewicht, um gute Leistungen zu bringen, und wann falle ich unter eine kritische Grenze? Doch würde der Rat, die Muskelmasse zu reduzieren, wohl nach hinten los gehen. Weniger Masse zu bewegen ist nur gut, so lang es in einem gesunden Bereich bleibt.“

(Universität Bayreuth, 20.08.2009 – NPO)

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