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Genetik

Genmutation macht Menschen zu Kurzschläfern

Forscher entdecken erstmals ein Gen, das die benötigte Schlafdauer verkürzt

Wissenschaftler haben das erste Gen entdeckt, dass die Länge unseres Schlafs reguliert. Wie sie in „Science“ berichten, führt eine Mutation in diesem Gen dazu, dass Menschen nur noch drei bis sechs statt der normalen acht bis neun Stunden Schlaf brauchen. Die Entdeckung eröffnet einen neuen Einblick in die komplexe Steuerung des Schlaf-Wachrhythmus und die Behandlung seiner Störungen.

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Schlaf ist etwas Alltägliches und doch ist er biologisch gesehen noch immer ein Rätsel. Bekannt ist bisher lediglich, dass es zwei Prozesse gibt, die ihn zum großen Teil regulieren: Zum einen die zirkadianen Rhythmen – genetische, biochemische und physiologische Mechanismen, die einem 24-Stunden-Zyklus folgen und Schlaf und Müdigkeit damit zeitlich regeln. Zum anderen die Homöostase, – noch unbekannte Mechanismen, die dafür sorgen, dass der Körper im Laufe der Zeit sein Schlafsoll einhält. Beide Prozesse interagieren miteinander und beeinflussen gemeinsam unseren Schlaf-Wach-Rhythmus und auch die Schlafqualität.

Mutation verkürzt Schlafdauer

Details dieser Prozesse sind jedoch noch völlig unklar, darunter auch, warum einige Menschen notorische Frühaufsteher sind und andere eigentlich erst Mittags richtig wach werden. Genauso unbekannt war bisher auch, warum einige Menschen weniger Schlaf zu brauchen scheinen als andere. Jetzt aber hat ein Forscherteam der Universität von Kalifornien um Ying-Hui Fu, Professorin für Neurologie, ein Gen entdeckt, das das Schlafbedürfnis zu beeinflussen scheint.

Die Wissenschaftler stießen darauf, als sie Blutproben von Angehörigen einer Familie genetisch untersuchten, in der Mutter und erwachsene Tochter deutlich weniger Schlaf pro Tag benötigten als der Durchschnitt. Nur drei bis sechs Stunden täglich reichte den beiden völlig, ohne dass sie müde waren oder das Bedürdnis hatten, Schlaf nachzuholen. Die Forscher fanden bei den beiden eine Mutation in dem Gen hDEC2, das als so genannter Transkriptionsfaktor dafür bekannt ist, die Expression anderer Gene zu unterdrücken und auch eine Rolle bei der Regultion der zirkadianen Rhythmen zu spielen.

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Gleiche Wirkung bei Mäusen und Fliegen

Aber war diese Mutation wirklich die ausschlagegebende für das geringere Schlafbedürfnis? Um dies zu testen, erzeugten die Forscher Mäuse und Fruchtfliegen, die das mutierte menschliche Gen trugen und beobachteten deren Verhalten. Tatsächlich schliefen die gentechnisch veränderten Mäuse im Laufe von 24 Stunden deutlich weniger und auch die Auswertung mittels Hirnstromessungen (EEG) und Elektromyographie (EMG) zeigten eine Reduktion von von Tiefschlaf und REM-Schlaf. Ähnliches ergab sich für das Verhalten der Fruchtfliegen.

Als nächsten Test untersuchten Fu und ihre Kollegen die Reaktion der gentechnisch veränderten Mäuse auf Schlafentzug – theoretisch müsste ihnen dieser weniger ausmachen. Der Vergleich mit normalen Mäusen bestätigte dies auch: Sie holten hinterher weniger Schlaf nach als ihre Artgenossen ohne das mutierte Gen. „Diese Veränderungen in der Schlafhomöostase bei den mutierten Mäusen könnten eine Erklärung dafür liefern, warum Menschen mit dieser Mutation ihr Leben lang weniger unter Schlafmangel leiden als andere“, erklärt Fu.

Direkte Wirkung oder Teil einer größeren Maschinerie?

Die Ergebnisse bieten eine Chance, die regulatorischne Geheimnisse des Schlafes weiter zu enträtseln. Obwohl die Mutation vermutlich selten ist, könnte das Verständnis der von ihr ausgelösten Veränderungen möglicherweise eines Tages dazu beitragen, Schlafstörungen besser behandeln zu können.

Als nächsten Schritt wollen Fu und ihre Kollegen die genaue Funktion von DEC2 identifizieren. „Wir wissen, dass das Gen ein Protein kodiert, das ein Transkriptions-Repressor ist“, erklärt Fu. „Und wir wissen auch, dass es den Repressor schwächer macht. Aber wir wissen nicht, ob der schwächere Repressor direkt mit dem geringeren Schlafbedürfnis zusammenhängt. Es könnte auch sein, dass das Protein als Teil einer größeren Maschinerie funktioniert und gar nicht direkt als Repressor für das Schlafbedürfnis agiert.“

Theoretisch könnte DEC2 die Schlafquantität allein beeinflussen, das Gen könnte aber auch zusätzlich noch den „Wachheitstrieb“ fördern. Laut Fu ist der letzterer entscheidend für existenzielle Aktivitäten wie Nahrungssuche, Suche nach Schutz oder nach einem Partner. „Das Mausmodell liefert uns auch eine Chance zu untersuchen, ob es noch andere Verhaltensweisen oder physiologische Zustände gibt, die mit dem Kurzschlaf-Syndrom assoziiert sind“, so Fu. Sie vermutet, dass genau das der Fall sein könnte.

(University of California – San Francisco, 17.08.2009 – NPO)

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