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Medizin

Machen Schulden dick?

Risiko für Übergewicht und Fettleibigkeit ist bei verschuldeten Menschen erhöht

Mainzer Wissenschaftler haben einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Überschuldung und Fettleibigkeit festgestellt. Wie sie in dem Fachjournal „BMC Public Health“ schreiben, haben verschuldete Menschen in Deutschland ein deutlich höheres Risiko, übergewichtig zu sein, als der Bevölkerungsdurchschnitt.

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Die Forscher machen dafür die hohen Preise für gesunde Nahrungsmittel, fehlendes Wissen über preisgünstige, aber dennoch gesunde Ernährung und vor allem die psychisch sowie sozial belastende Situation der überschuldeten Bürger mitverantwortlich, die zu einer Neigung der betroffenen Personen zum „Trost-Essen“ sowie körperlicher Inaktivität führen kann.

Da die Ursachen-Wirkungs-Beziehung mit dem Studiendesign einer einmaligen Befragung nicht nachgewiesen werden kann, diskutieren die Wissenschaftler ebenso, ob Fettleibige eventuell eher ihren Arbeitsplatz verlieren und somit in die Überschuldungsfalle geraten könnten. Schließlich ist die Arbeitslosigkeit der häufigste Grund für eine Überschuldungssituation beziehungsweise Zahlungsunfähigkeit.

9.000 Menschen untersucht

Professorin Eva Münster von der Universität Mainz hat mit ihrem Team die Daten von über 9.000 Personen ausgewertet. Eine schriftliche Umfrage des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin unter 949 überschuldeten Menschen ergab, dass 25 Prozent fettleibig waren – im Vergleich zu elf Prozent unter 8.318 Probanden aus der Durchschnittsbevölkerung von Deutschland, die das Robert Koch-Institut in seinem telefonischen Gesundheitssurvey 2003 befragt hatte.

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Finanzkrise könnte alles noch schlimmer machen

„Die aktuelle Finanzkrise wird sich auf die privaten Haushalte auch in gesundheitlicher Hinsicht auswirken und das Problem eventuell sogar noch verschärfen“, meint Münster. Die Public-Health-Expertin weist gleichzeitig darauf hin, dass dies auf keinen Fall zu einer Stigmatisierung der betroffenen Bevölkerungsgruppe führen dürfe, sondern als ein gesellschaftliches Problem aufgegriffen werden müsse.

Normalerweise werden meistens Einkommen, Bildung und Beschäftigungsverhältnis zur Darstellung des sozioökonomischen Status verwendet – ein Einflussfaktor, der bereits in vieler Hinsicht untersucht wurde und mit dem Krankheitsstatus eines Menschen in Verbindung steht. Die Überschuldungssituation, dass nämlich der Schuldenberg nicht mehr bewältig werden kann, dagegen wird üblicherweise nicht in der Forschung berücksichtigt – und dies, obwohl alleine in Deutschland schätzungsweise drei bis knapp vier Millionen Privathaushalte überschuldet sind.

Weniger Freizeitaktivitäten, schlechte Ernährung

„Wir haben hier gezeigt, dass die Überschuldung einer Privatperson mit der Wahrscheinlichkeit von Übergewicht und Fettleibigkeit, also Adipositas, einhergeht und zwar unabhängig von den anderen genannten sozioökonomischen Faktoren“, so Münster.

Wie die Wissenschaftler ausführen, können sich Schulden auf die Risikofaktoren für chronische Erkrankungen auswirken, beispielsweise indem weniger Freizeitaktivitäten stattfinden und die Teilnahme an sozialen Ereignissen reduziert wird. Auch die Qualität der Ernährung kann unter der Schuldensituation leiden.

Auch Kinder betroffen

„Energiereiche Nahrungsmittel wie Süßigkeiten oder fettige Snacks sind meistens billiger als Nahrungsmittel mit geringerem Energiegehalt, etwa Früchte oder Gemüse“, so Münster. Die Forscherin merkt an, dass von der Überschuldungssituation sämtliche Haushaltsmitglieder betroffen sind, auch Kinder. Angesichts dieser Befunde schlägt die Expertin vor, eine Niedrigpreiskampagne für gesunde Lebensmittel zu starten. Nötig wären außerdem weitere Studien, insbesondere Langzeitstudien, um eindeutige Aussagen über Ursache und Wirkung zu erhalten.

Die Überschuldung von Privatpersonen ist nicht nur ein finanzielles und juristisches Problem, sondern auch ein soziales und – wie nun gezeigt werden konnte – ein gesundheitliches Problem. „Die überschuldeten Bürgerinnen und Bürger und deren Familien brauchen zielgruppenspezifische Gesundheitsförderung und Prävention. Hier sind die Öffentliche Gesundheitspflege, also Bundes- und Landesministerien sowie Kommunen, und die Krankenkassen gefordert“, so Münster.

(idw – Universität Mainz, 10.08.2009 – DLO)

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