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Medizin

Forscher machen Zellen zu Insulin-Produzenten

Anschalten nur eines Gens ließ Bauchspeicheldrüsenzellen bei Mäusen Insulin erzeugen

Vorläuferzellen (links) wurden zu Insulin-produzierenden Zellen (rechts) © Collombat, Mansouri / MPIbpc

Diabetes heilen können durch Insulin produzierende Ersatz-Zellen – das ist die Hoffnung vieler Mediziner. Jetzt sind Forscher diesem Zeil einen großen Schritt näher gekommen: Sie schalteten in zuckerkranken Mäusen ein einziges Gen in den Bauchspeicheldrüsenzellen an und verwandelten diese so in Insulin produzierende Zellen. Ließe sich diese jetzt in der Fachzeitschrift „Cell“ beschriebene Umwandlung auch im Menschen gezielt regulieren, könnte dies zukünftig neue Therapiewege eröffnen, um Diabetes erfolgreich zu behandeln.

Gehen die Insulin produzierenden Zellen unseres Körpers zugrunde, kann sich daraus Diabetes entwickeln – eine der häufigsten Stoffwechselerkrankungen westlicher Industrienationen. Sie durch körpereigene, Insulin produzierende Zellen zu ersetzen, ist seit langem ein Traum der Diabetesforscher. Entscheidender Akteur dabei ist die Bauspeicheldrüse (Pankreas). Sie produziert neben den Verdauungssäften die wichtigen Hormone Insulin und Glukagon – Spieler und Gegenspieler bei der Regulation unseres Zuckerstoffwechsels. Während Insulin dafür sorgt, dass überschüssiger Zucker in Depots gespeichert wird, lässt Glukagon den Blutzuckerspiegel ansteigen.

Transkriptionsfaktoren steuern Zelldifferenzierung

Damit sich der Zuckerstoffwechsel richtig einstellt, treten bereits während der Embryonalentwicklung wichtige Transkriptionsfaktoren in Aktion. Sie werfen gezielt genetische Programme an oder unterdrücken diese und verwandeln so Vorläuferzellen der Bauchspeicheldrüse in Zellen mit ganz bestimmten Eigenschaften. Ohne das Kontroll-Gen Pax4 entwickeln sich beispielsweise keine Insulin produzierenden Zellen. Andere Faktoren veranlassen Vorläuferzellen, Glukagon zu erzeugen. Damit die spezialisierten Zellen im richtigen Verhältnis entstehen, interagieren die Transkriptionsfaktoren miteinander in einem komplizierten „Räderwerk“.

Schalter für die Insulinproduktion identifziert

Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen um Ahmed Mansouri und Patrick Collombat konnten jetzt nachweisen, dass Pax4 in diesem komplexen Räderwerk der entscheidende „Schalter“ ist, mit dem sich Vorläuferzellen der Bauchspeicheldrüse anregen lassen, Insulin zu produzieren. Schalteten die Wissenschaftler in jungen zuckerkranken Mäusen gezielt das Pax4-Gen an, so hatten sich nach nur wenigen Tagen neue Insulin produzierende Zellen in der Bauchspeicheldrüse angesiedelt.

„Wir waren völlig überrascht, dass es ausreichte, nur diesen einen Faktor in den Vorläuferzellen ‚anzuschalten‘, nicht zwei oder gar mehr Faktoren“, erklärt Mansouri, Leiter der Forschungsgruppe „Molekulare Zelldifferenzierung“.

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Dass diese tatsächlich aus Vorläuferzellen in der Bauchspeicheldrüse abstammten konnten die Forscher mithilfe spezieller Untersuchungsmethoden nachweisen. Aber sind diese neuen Zellen ebenso funktionstüchtig wie normale Insulin produzierende Zellen? Wie die Wissenschaftler herausfanden, erzeugten die neuen Zellen in der Tat ausreichend Insulin, um in den kranken Mäusen den Blutzucker auf das Normalmaß zu senken. Auch die Lebensdauer der Mäuse ließ sich deutlich verlängern.

Bauchspeicheldrüse flexibler als gedacht

Aber aktives Pax4 stößt nicht nur in Vorläuferzellen die Produktion von Insulin an, wie die Ergebnisse der Göttinger Forscher zeigen. Auch ausgereifte Zellen, die bisher Glukagon herstellten, ließen sich durch aktives Pax4 reprogrammieren und in Insulin produzierende Zellen umwandeln. „Damit bestätigen wir erstmals experimentell, was viele Ergebnisse anderer Wissenschaftler bereits vermuten lassen: Die Bauchspeicheldrüse ist viel flexibler als bisher angenommen. Ihre Entwicklung ist auch im erwachsenen Körper noch nicht abgeschlossen“, sagt Collombat.

Folglich besteht Hoffnung, dass Diabetikern eines Tages durch eine Aktivierung des Pax4-Gens geholfen werden könnte. Aus den Vorläuferzellen, die jede Bauchspeicheldrüse bereithält, sollten sich auf diese Weise Zellen regenerieren lassen, die ausreichend Insulin erzeugen und abgestorbene Zellen ersetzen könnten.

Funktioniert dies auch beim Menschen?

Ein vielversprechender Ansatz, doch weitere Untersuchungen müssen erst zeigen, ob der Ansatz auch auf den Menschen übertragbar ist. „Aktives Pax4-Gen veranlasst frühe Zellen der Bauchspeicheldrüse zwar, Insulin zu erzeugen, doch resultiert daraus ein steter Mangel an Glukagon. Die fortlaufend neu gebildeten Glukagon produzierenden Zellen werden durch aktives Pax4 sofort in Insulin erzeugende Zellen umgewandelt“, sagt Collombat.

Ein Kreislauf, den die Wissenschaftler rechtzeitig unterbrechen müssen, denn sonst besteht die Gefahr, dass sich in der Bauchspeicheldrüse am Ende vor allem Insulin-produzierende Zellen ansiedeln. „Unser Ziel ist es, Medikamente zu finden, mit denen wir Pax4 oder eines seiner Zielmoleküle kurzzeitig aktivieren und damit die Umwandlung anstoßen, aber auch wieder anhalten können“, so Mansouri.

(Max-Planck-Gesellschaft, 07.08.2009 – NPO)

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