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Medizin

Bildung der Sauerstoffradikale entschlüsselt

Enyzmkette regelt überschießende Produktion in den Immunzellen

Freie Sauerstoffradikale werden nicht nur durch Zellstress oder zuviel Sonne im Körper erzeugt, auch die Immunabwehr nutzt diese hochreaktiven Moleküle, um Krankheitserreger zu zerstören. Was genau dabei in den Immunzellen geschieht, haben deutsche Wissenschaftler jetzt aufgeklärt und berichten darüber in „Nature“. Ihre Entschlüsselung des Radikal-Bildungsmechanismus zeigt nicht nur, warum Antioxidantien zu spät kommen, sondern liefert auch vielversprechende neue Ansatzstellen für Therapien.

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Oxidativer Stress gilt heute als schädlicher Faktor und Ursprung vieler Krankheiten und Schäden im Körper. Doch die unliebsamen Radikale haben nicht nur schädigende Wirkung, sie sind auch überlebenswichtig: Bei Infektionen mit mikrobiellen Erregern bilden zwei Arten der weißen Blutkörperchen, die Granulozyten und die Makrophagen, große Mengen Sauerstoffradikale. Diese zerstören die Krankheitserreger und unterstützen die Immunabwehr. Durch die exzessive Radikal-Produktion der Immunzellen werden aber nicht nur die Erreger eliminiert, die hierbei gebildeten Sauerstoffverbindungen richten auch Kollateralschäden an: Entzündungen. Bei den meisten Infektionen sind es daher nicht die toxischen Eigenschaften des Erregers selbst, sondern vielmehr die Radikalbildung und die Entzündungsreaktion unseres eigenen Immunsystems, die das typische Krankheitsbild hervorrufen.

Bildungsmechanismus entschlüsselt

Was bei der körpereigenen Radikalbildung in den Immunzellen genau geschieht, hat jetzt ein Team von Forschern der Universitäten Köln und Kiel erstmals entschlüsselt. Verantwortlich für die Produktion der Radikale in den „Energiekraftwerken“ der Zellen, den Mitochondrien, ist unter anderem das Enzym NADPH-Oxidase. Um die Produktionskette in Gang zu bringen, spielt ein weiteres Enzym, die Riboflavinkinase eine entscheidende Rolle. Sie wird aktiviert, wenn der so genannte Tumornekrosefaktor (TNF) , ein Entzündungsfaktor und Botenstoff des Immunsystems an den TNF-Rezeptor auf der Oberfläche von Zellen andockt.

Ist das Enzym aktiv, löst dieses wiederum zwei weitere entscheidende Reaktionen aus: Zum einen koppelt das Enzym den TNF-Rezeptor physisch an die NADPH-Oxidase. Zum anderen bringt die Riboflavinkinase die von ihr katalysierte Umwandlung von Riboflavin (Vitamin B2) zu Flavinmononukleotid und Flavinadenindinukleotid (FAD) in eine unmittelbare räumliche Nähe zur NADPH-Oxidase. Eines der beiden Umwandlungsprodukte, das FAD, kann sich dann vermehrt an die NADPH-Oxidase anlagern und wirkt dort wie ein „Booster“: Es erhöht die Reaktionsbereitschaft des der Radikal produzierenden Oxidase und ermöglicht es damit den Granulozyten und Makrophagen, die benötigten großen Mengen von Sauerstoffradikalen für die Abwehr von Krankheitserregern freizusetzen.

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Neue Ansätze für Therapien

Diese neuen Beobachtungen haben über die immunologisch- infektiologischen Aspekte hinaus weiterreichende Bedeutung. Denn das neue Verständnis zur Regulation der NADPH-Oxidase zeigt auch Ansatzpunkte für die gezielte therapeutische Unterbindung überschießender Radikal-Bildung, ohne die Elimination von Infektionserregern zu gefährden. Auch beim Zusammenhang zwischen vermehrter Radikalbildung und neurodegenerativen Krankheiten wie Morbus Parkinson und Alzheimer oder bei Arteriosklerose könnte die Hemmung der Radikalbildung als Therapie eingesetzt werden.

Antioxidantien setzen zu spät an und greifen ins Leere

Weil die gezielte Dämpfung der NADPH-Oxidase bei Immunantwort, Alterungsprozessen und neurodegenerativen Erkrankungen bereits bei der Bildung der schädlichen Sauerstoffradikale ansetzt, ist sie weitaus wirksamer als die bisher weitgehend gescheiterten Versuche, die Radikale durch so genannte Antioxidantien wie Vitamin C „einzufangen“. Da Sauerstoffradikale sehr rasch und direkt mit ihren Zielstrukturen reagieren, ist der geringe Erfolg solcher nachträglicher Therapien quasi vorprogrammiert. Einmal gebildet, lassen sich Radikal-bedingte Schädigungen zellulärer Moleküle durch Antioxidantien nur wenig effizient blockieren.

(Universität Köln, 31.07.2009 – NPO)

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