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Evolution

Viktoriasee-Buntbarsche: Vorzeige-Artbildung doch ganz anders?

Austrocknen des Sees vor 15.000 Jahren zwang Fische zur Migration

Der ostafrikanische Viktoriasee gilt als Labor der Evolution, nirgends verläuft die Artbildung so schnell wie hier, das bezeugen 500 nahe verwandte Buntbarscharten. Jetzt haben Wissenschaftler entdeckt dass der See vor 15.000 Jahren komplett austrocknete. Gentests zeigen, dass einige Fischarten diese Periode im Nachbarsee überdauerten, so dass die spektakuläre Diversität der Buntbarsche genetisch älter ist als ihr heutiger Lebensraum. Das berichten die Forscher in der „Early Edition“ der Fachzeitschrift Zeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS).

Der Viktoriasee ist in seiner heutigen Form aufgrund einer klimabedingten Austrocknung und Wiederbefüllung im späten Pleistozän nur rund 15.000 Jahre alt. Das Team um Axel Meyer nimmt an, dass einige der Fische die Austrocknung des Viktoriasees in Refugien und auch im benachbarten Kivusee überlebt hatten und die ursprüngliche Besiedlung des heutigen Viktoriasees durch Buntbarsche vom Kivusee ausging. Axel Meyer wirft mit seinen jetzt veröffentlichten

Forschungsergebnissen ein neues Licht auf die Thesen zur Artenbildung im Viktoriasee.

Austrocknung vor 15.000 Jahren

Mehr als 500 extrem nah verwandte Arten von Buntbarschen leben im Viktoriasee, dem zweitgrößten See der Erde mit einer Fläche von der Größe Islands. Bisher wurde angenommen, dass diese Fischarten in weniger als 100.000 Jahren entstanden – keine andere Gruppe von Lebewesen hat eine derart schnelle Artbildung. Geologische und paläontologische Befunde legen nun aber nahe, dass durch einen Klimawandel in Ostafrika im späten Pleistozän der Viktoriasee mitsamt seiner Umgebung komplett ausgetrocknet sein muss. Vor 15.000 Jahren füllte sich das Becken wieder zum Viktoriasee in seiner heutigen Form.

Demnach müssten die 500 Arten von Buntbarschen, die ausschließlich im Viktoriasee leben, in der extremst kurzen Zeit seit seiner Neubefüllung entstanden sein. Das jedoch würde eine bei weitem schnellere evolutionäre Artenbildung erfordern, als man bisher annahm und als bei irgendeiner anderen Gruppe von Lebewesen beobachtet wurde.

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Gene älter als neu befüllter See

Ein Forschungsteam der Universität Konstanz und des belgischen „Royal African Museum“ unter der Leitung des Konstanzer Professors Axel Meyer nutzte nun neueste Methoden der genetischen Analyse, um das genetische Alter der Buntbarsche zu bestimmen. Es stellte sich heraus, dass einige der Gene, die für die adaptive Radiation der Barsche, ihre evolutionäre Auffächerung zur Anpassung an ökologische Nischen, verantwortlich sind, bei weitem älter sind als der heutige Viktoriasee.

Ursprung im Kivusee

Demzufolge müssen die Fische und die meisten ihrer genetischen Variationen, die sie heute aufweisen, die Austrocknung des Viktoriasees im Pleistozän überlebt haben – und zwar in einem anderen, nahegelegenen Lebensraum. Die Biologen verfolgten die Migration der Fische zurück und identifizierten den benachbarten und weitaus tieferen Kivusee als Ort ihrer Abstammung vor etwa

100.000 Jahren.

Darüber hinaus wiesen die Wissenschaftler anhand der Gene der Fischpopulation nach, dass eine dramatische Abnahme der Populationsgröße vor 15.000 bis 18.000 Jahren stattfand – was sich zeitlich mit dem Klimawandel im Pleistozän deckt. „Unsere Studie zeigt, dass die meisten der Arten während der Austrocknung des Viktoriasees im Pleistozän ausstarben, aber dass manche ihrer Ahnen und viele ihrer Gene älter sind und diese Periode eines dramatischen Klimawandels überlebten“, bestätigt Meyer.

(Universität Konstanz, 29.07.2009 – NPO)

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