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Biologie

Insekten-Taxi per Duft-Manipulation

Krankheitserreger ändern den Geruch von Apfelbäumen um Insekten als Überträger anzulocken

Sommerapfelblattsauger, Cacopsylla picta, übertragen die Phytoplasmen © Julius Kühn-Institut

Die Manipulation und das Anlocken von Artgenossen oder hilfreichen Mitgliedern anderer Arten durch bestimmte Geruchsstoffe ist ein alter Hut aus der Trickkiste von Mutter Natur. Dennoch verblüfft die Taktik des Krankheitserregers der Apfeltriebsucht: Der Befall durch den Keim verändert den Geruch des Apfelbaums und lockt dadurch saftsaugende Insekten an. Diese wiederum nutzt der Krankhkeitserreger als Taxi zum nächsten Apfelbaum.

Phytoplasmen sind pflanzenpathogene Bakterien ohne Zellwand, die ähnlich wie Viren nur in lebendem Wirtsgewebe wachsen. Sie werden durch Insekten übertragen. Ihr eigener Stoffwechsel ist so stark reduziert, dass lebensnotwendige Bio-Moleküle aus den Wirtszellen importiert werden müssen. Mehr als 700 Pflanzenkrankheiten werden von Phytoplasmen verursacht, doch die Sache hat eine Haken: Phytoplasmen allein können keine Pflanzen infizieren. Sie sind auf Insekten als Transportmittel angewiesen.

Befallende Apfelbäume duften anders

Wie Wissenschaftler des Julius Kühn-Instituts (JKI) in Dossenheim nun herausgefunden haben, manipuliert der Erreger der Apfeltriebsucht, Candidatus Phytoplasma mali, den Geruch der infizierten Apfelbäume, um so eine ganz bestimmte Insektenart anzulocken. „Im Verlauf der Evolution hat sich eine sehr spezielle Interaktion zwischen dem Apfeltriebsucht-Phytoplasma, seinem Wirt, dem Apfel, und seinem Überträger herausgebildet“, erklärt Jürgen Gross. Der Wissenschaftler vom Julius Kühn-Institut arbeitet mit seiner Arbeitsgruppe schon länger an Phytoplasmen, die die Apfeltriebsucht auslösen, und an deren Infektionswegen. So zeigte er bereits 2005, dass der Sommerapfelblattsauger auf bestimmte chemische Signale der Apfelbäume reagiert.

Geänderter Duft lockt Blattsauger an

„Dass die Phytoplasmen jedoch dazu beitragen, dass sich der Geruch der von ihnen infizierten Apfelbäume dahingehend ändert, dass sie attraktiver für bestimmte Stadien der Blattsauger werden, haben wir erst kürzlich in olfaktorischen Laborexperimenten nachgewiesen“, so Gross. Gaschromatographische Analysen der von den Apfelbäumen abgegebenen Duftstoffe ergaben, dass nur bei den mit Phytoplasmen infizierten Bäumen verstärkt ß-Caryophyllen gebildet wurde. Junge Sommerapfelblattsauger bevorzugen diesen Geruch und fliegen infizierte Apfelbäume deshalb bevorzugt an. Damit hat das Bakterium sein Ziel erreicht. Es hat sich ein geeignetes Taxi gerufen, das ihn zum nächsten Apfelbaum bringen wird.

Ansatz für Bekämpfung

In Labor- und Freilandexperimenten zur Thematik wurde ebenfalls untersucht, ob nicht auch eine andere bekannte Blattsaugerart zur Verbreitung der Apfeltriebsucht beiträgt. Diese Vermutung bestätigte sich nicht, da diese Blattsauger Weißdorn als bevorzugte Wirtspflanze zur Vermehrung nutzen und nur geringe Mengen des Bakteriums in sich tragen. Weißdorn wird durch das Bakterium nicht infiziert und stellt somit eine Sackgasse für die weitere Verbreitung dar.

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„Jetzt, da wir bereits einige der Geruchspräferenzen der Überträgerinsekten kennen, können wir uns dieses Wissen zu Nutze machen, um zukünftig der Ausbreitung der Apfeltriebsucht vorzubeugen“, erläutert Gross. Er und seine Mitarbeiter wollen nun vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse neue

Bekämpfungsstrategien entwickeln, und beispielsweise die Blattsauger mittels Geruchsfallen abfangen oder mittels abschreckender Stoffe von den Apfelbäumen fernhalten.

(Julius Kühn-Institut, 28.07.2009 – NPO)

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