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Neurobiologie

Akut-Stress erhöht Lernleistung

Kurz anhaltender Stress fördert Produktion von positiv wirkendem Stresshormon

Stress ist nicht gleich Stress. Während Langzeitstress körperliche und psychische Schäden hinterlassen kann, kann sich Kurzzeitstress sogar positiv auswirken: Wissenschaftler haben festgestellt, dass dieser bei Ratten die Lernleistung erhöht. Verantwortlich dafür ist das Stresshormon Corticosteron, wie sie in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences” (PNAS) berichten.

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Um zu testen, welche Auswirkungen akuter Stress auf das Kurzzeitgedächtnis hat, führten Wissenschaftler der Universität von Buffalo um Eunice Y. Yuen Labyrinth-Versuche mit Ratten durch. Die Tiere wurden zunächst trainiert, bis sie an zwei aufeinanderfolgenden Tagen in 60 bis 70 Prozent der Fälle den korrekten Weg liefen. Dann ließen die Forscher die Hälfte von ihnen 20 Minuten lang schwimmen – ein großer Stressfaktor für die Tiere – und setzte sie vier Stunden später erneut in das Labyrinth.

Bessere Leistungen nach Akutstress

Die Ergebnisse waren überraschend: Denn sie zeigten, dass die gestressten Ratten deutlich wenig Fehler machten als am Vortag und auch weniger als die andere Hälfte der Rattengruppe, die kein unfreiwilliges Bad nehmen musste. Aber was genau war für diesen unerwarteten Leistungszuwachs verantwortlich? Die Wissenschaftler tippten auf einen bestimmten Botenstoff im Gehirn, das Neurohormon Corticosteron.

„Stresshormone haben sowohl schützende als auch schädigende Wirkung auf den Körper”, erklärt Zhen Yan, Professor für Physiologie und Biophysik an der Universität von Buffalo. „Diese Studie und andere, die wir in Arbeit haben, erklären, warum wir Stress brauchen, um bessere Leistungen zu bringen, aber warum wir besser nicht zu gestresst sein sollten.“

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Keine Leistungssteigerung ohne Stresshormon

Um herauszufinden, welche Rolle das Stresshormon Corticosteron spielt, führten die Wissenschaftler den Versuch erneut durch. Diesmal jedoch gaben sie der einen Hälfte der Ratten vor dem Schwimmen eine Spritze mit einem Wirkstoff, der den Signalweg des Corticosteron blockierte. Die andere Hälfte erhielt als Kontrolle eine Spritze mit Kochsalzlösung.

Tatsächlich waren jetzt die Leistungen der Ratten mit Corticosteronblocker deutlich schlechter als die der Kontrollratten, die nur Kochsalz erhalten hatten. Sie zeigten die typische Leistungssteigerung nach dem stressenden Schwimmen. Gleichzeitig schien der Akutstress keine negativen Nebenwirkungen wie Angst oder Depression zu haben. In Verhaltensbeobachtungen zeigten die Tiere keinerlei Anzeichen für solche Störungen.

„Es ist bekannt, dass Stress sowohl positive als auch negative Aktionen im Gehirn auslöst, aber der dahinterstehende Mechanismus ist schwer zu fassen“, erklärt Yan. „Einige Schlüsselregionen des Gehirns, die an Kognition und Emotionen beteiligt sein, darunter auch der präfrontale Kortex, wurden bereits als Hauptwirkorte für Corticosteron dingfest gemacht.“

Wichtige Rolle für Glutamat-Rezeptoren

In einer separaten, noch nicht veröffentlichten Studie beschäftigten sich die Forscher genauer mit dem präfrontalen Kortex und den dort stattfindenden Prozessen. Sie fanden heraus, welche Signalmoleküle den Akutstress mit dem Kurzzeitgedächtnis verknüpfen. Dabei spielen offenbar die Rezeptoren für einen weiteren Botenstoff, das Glutamat, eine wichtige Rolle.

„Unsere Studie identifiziert einen neuen Mechanismus, der für die Wirkung des Akutstresses auf das Kurzzeitgedächtnis verantwortlich ist“, so Yan. „Dieser kognitive Prozess ist abhängig von erregenden Signalen in den Schaltkreisen des präfrontalen Kortex, die von Glutamat-Rezeptoren vermittelt werden.“

Langzeitstress blockiert Glutamat-Übertragung

Doch auch die Auswirkungen von Langzeitstress, dem negativen Gegenstück des Akutstresses, haben die Forscher untersucht. „Wir haben entdeckt, dass chronischer Stress die Übertragung von Glutamat im präfrontalen Kortex von männlichen Ratten unterdrückt und damit genau anders herum wirkt wie Akutstress “, so Yan. „Bei weiblichen Ratten aber trugen die zahlreicher vorhandenen Östrogenrezeptoren dazu bei, sie widerstandsfähiger gegenüber chronischem Stress zu machen als die Männchen.“

Auch wenn diese Studie an Ratten stattfanden, tragen sie nach Ansicht der Forscher dazu bei, einen Einblick in die Stresswirkungen unter verschiedensten Bedingungen zu geben, der in gewissem Maße auch auf Menschen übertragbar sein könnte.

(University of Buffalo, 27.07.2009 – NPO)

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