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Geowissen

Südseetraum per Tauchboot

Meeresspiegelschwankungen der letzten 20.000 Jahre im Pazifik untersucht

Das Tauchboot JAGO und das neuseeländische Forschungsschiff BRAVEHEART vor der Küste von Moorea (Französisch Polynesien). © Leibniz-Institut für Meereswissenschaften

Vier Wochen Südsee – das klingt nach einem Traumurlaub an palmenbestandenen Stränden. Für ein Team von Meeresforschern war es dagegen eher eine Reise in eine weit entfernte Vergangenheit. In den Gewässern rund um Tahiti suchten sie mit dem Tauchboot JAGO nach Indizien, die mehr Klarheit in die äußerst komplizierten Meeresspiegelschwankungen der vergangenen 20.000 Jahren bringen sollen.

Der erste Blick täuscht gewaltig. Wer vom Land aufs Meer hinausblickt oder dieses mit dem Schiff überquert, dem erscheint die Wasseroberfläche als riesige Ebene – von kleineren Wellen einmal abgesehen. Doch in Wahrheit sind die Ozeane zerfurcht von Bergen und Tälern. Höhenunterschiede von bis zu 200 Metern im Verhältnis zum durchschnittlichen Meeresspiegel kommen vor. Das

liegt an der ungleichmäßigen Verteilung der Masse in und auf der Erde und an der Anziehung von Massen untereinander. Die Kontinente besitzen große Massen und damit eine große Anziehungskraft – sie ziehen Wasser der Ozeane an sich. Parallel dazu steigt und fällt der Meeresspiegel aber auch insgesamt je nachdem, wie warm die Atmosphäre ist, wie viel Eis an den Polen schmilzt oder entsteht.

Rifferkundung mit Tauchboot JAGO

Um diese komplexen Zusammenhänge besser zu verstehen, war eine Gruppe von Forschern des Kieler Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) in die Südsee aufgebrochen. „Die Region rund um Tahiti bietet für unsere Fragestellungen ein einzigartiges Potential“, erläutert der Geochemiker Professor Anton Eisenhauer vom IFM-GEOMAR. „Hier sind wir weit weg von den Eisschilden der Nordhemisphäre, die in der Vergangenheit große Meeresspiegelschwankungen verursacht haben“, so Eisenhauer weiter. „Der vulkanische Ursprung der Inseln in Verbindung mit der großen Entfernung zu den Kontinenten reduziert weitere Störeinflüsse“, ergänzt der Paläoozeanograph Professor Wolf-Christian Dullo.

Verkarstete Strukturen deuten auf einstiges Trockenfallen hin

Die beiden Wissenschaftler verbrachten etwa vier Wochen in der Umgebung Tahitis, um Riffstrukturen im Wasser und an Land zu untersuchen. Ein unentbehrliches Hilfsmittel dabei war

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das einzige deutsche Forschungstauchboot JAGO. Von Bord des gecharterten Forschungsschiffes BRAVEHEART aus tauchte JAGO in Tiefen von bis zu 350 Metern. Während der bis zu sieben Stunden dauernden Tauchgänge entlang der steilen und teilweise senkrechten Vorriffhänge von Tahiti und Moorea fanden die Forscher verkarstete Riffstrukturen, die bis in 150 Meter Tiefe reichten.

Verkarstungen lassen darauf schließen, dass dieses Riff einst an der Wasseroberfläche lag. © Leibniz-Institut für Meereswissenschaften

„Die Verkarstungen deuten darauf hin, dass diese Riffe einmal trocken gelegen haben, dass heißt sie befanden sich oberhalb der Wasseroberfläche“, erläutert Dullo. Das war vermutlich vor etwa 20.000 Jahren während der letzten großen Eiszeit. „Es war extrem beeindruckend, in JAGO zu sitzen und in kristallklarem Wasser mit Sichtweiten von bis zu 100 Metern an tausenden von Jahren Erdgeschichte vorbeizugleiten“, erinnert sich der Forscher nach der Rückkehr. Das mit dem Tauchboot gesammelte Daten- und Probenmaterial soll nun helfen, den Verlauf des Meeresspiegelanstieges seit der letzten Eiszeit möglichst detailliert zu rekonstruieren.

Kontinente heben sich

Im zweiten Teil der Expedition nahmen die Forscher Proben von trocken gefallenen Riffen an Land. Sie sind entstanden, als der Meeresspiegel vor 6.000 Jahren seinen vorläufigen Höchststand erreicht hat. Seitdem sinkt er im gesamten indo-pazifischen Raum wieder leicht ab. Der Grund dafür liegt in der

Massenanziehung der Kontinente. Als am Ende der letzten Eiszeit die großen Gletscher im Norden schmolzen, wurden die nördlichen Kontinente von einer enormen Last befreit. Seitdem heben sie sich langsam immer weiter aus dem Erdmantel und ziehen dabei aufgrund ihrer Masse große Mengen Wasser von Süden nach Norden. Im Zentralpazifik fehlt dieses Wasser, der Meeresspiegel sinkt dort.

Daraus, wie hoch die trocken gefallenen Riffe in Französisch Polynesien mittlerweile oberhalb des Meeresspiegels liegen, können die Wissenschaftler ableiten, wie weit der Wasserstand des Zentralpazifiks in den vergangenen 5.000 Jahren zurückgegangen ist. „Dieses grobe Bild müssen wir nun anhand der gewonnenen Proben bestätigen und verfeinern“, erklärt Eisenhauer nach der Rückkehr aus der Südsee. Dazu wird das Material am IFM-GEOMAR mit modernsten analytischen Verfahren untersucht. Mit Hilfe von Isotopenuntersuchungen kann das Alter der fossilen Korallen genau bestimmt werden.

Die Forscher können auch Aussagen zu den Wassertemperaturen machen, bei denen die Korallen einst gewachsen sind- und das auf ca. 0,5 Grad Celsius genau. „Die Isotopenanalytik ermöglicht uns, zu belastbaren Aussagen der Geschichte der Meeresspiegelschwankungen zu kommen“, so Eisenhauer. „Wenn der Patient nicht geständig ist, werden wir ihn anhand von Indizien überführen“, fügt er optimistisch hinzu.

(Leibniz-Institut für Meereswissenschaften, 22.07.2009 – NPO)

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