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Geowissen

Myanmar: Bestandsaufnahme einer Katastrophe

Erste umfassende Dokumentation der Folgen des Wirbelsturms Nargis

Die Höhe der Üebrschwemmung kann auch an den Wurzelschäden dieser Palme abgelesen werden © Hermann Fritz

Als der tropische Wirbelsturm Nargis am 2. Mai 2008 Myanmar erreichte, verursachte er die schlimmste Naturkatstrophe in der Geschichte des Landes – mehr als 138.000 Menschen starben. Drei Monate nach der Katastrophe besuchten Geowissenschaftler das Gebiet, erstmals genau um das Ausmaß der Überschwemmungen und Zerstörungen eines solchen Zyklons zu dokumentieren. Ihre jetzt in „Nature Geoscience“ veröffentlichten Erkenntnisse könnten auch dazu beitragen, zukünftige Sturmgefahren der Region besser per Modell vorhersagen zu können.

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Der Wirbelsturm Nargis war ein Zyklon der zweithöchsten Kategorie 4. Er gehört zu den acht tödlichsten Wirbelstürmen weltweit und gilt als der zerstörerischste, der jemals im Indischen Ozean registriert worden ist. Das Land Myanmar traf dieser „Supersturm“ nahezu unvorbereitet, entsprechend schlimm waren die Folgen. Entsprechend wichtig ist es, in Zukunft besser vorhersagen zu können, wo und wie stark genau ein Sturm das Land treffen wird. Und noch wichtiger: Wie weit ins Landesinnere die Gefahr durch die mit dem Sturm einhergehenden Überschwemmungen reicht.

Zu wenig Daten über komplexes Gelände

Solche Vorhersagen und Modelle basieren in der Regel auf Daten vergangener Ereignisse – je genauer desto besser. Doch die Region des Irrawaddy-Deltas, die so schlimm getroffen wurde, ist in ihrer Struktur so komplex und wenig erforscht, dass hier bisher kaum entsprechende Daten existierten. Um für die Zukunft so viele der vergänglichen Spuren des Sturms wie möglich zu sammeln, bereiste eine internationale Expedition drei Monate nach der Katstrophe das betroffene Gebiet.

Suche nach Flutspuren

Die Wissenschaftler planten ihre Suche nach den Sturmfolgendaten nach inoffiziellen Schadensberichten, physischen Daten zur Sturmbahn, Satellitenbildern, und ihrer Erfahrung, die sie in anderen Naturkatastrophen gewonnen hatten. Den größten Teil der Reise legten sie per Frachtschiff zurück. 150 Kilometer der Küste fuhren sie in den zwei Wochen zwischen dem 9. und 23. August 2008 ab. In der Flutzone suchten sie dabei vor allem nach Spuren des Hochwassers an Gebäuden, Narben an Bäumen und angeschwemmten Trümmern als Indikatoren für die Wasserhöhe.

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„Das Ziel unseres Projekts war es, das Ausmaß der Überschwemmungen und die damit verbundenen Schäden im Delta zu erfassen”, erklärt Hermann M. Fritz, Professor am Georgia Institute of Technology und Leiter der Studie. „Feldstudien unmittelbar nach größeren Katastrophen konzentrieren sich auf vergängliche Daten, die sonst für immer verloren wären – wie beispielsweise Schäden an der Infrastruktur vor Beginn von Reparatur und Wiederaufbau.“

Hochwassermarken als Basis für Computermodelle

Der Zyklon erzeugte eine Sturmflut von bis zu fünf Metern Höhe, zu der noch einmal zwei Meter hohe Wellen dazu kamen. Zusammen führte dies zu einer Überschwemmung, die 50 Kilometer weit ins Land hineinreichte. In den am stärksten betroffenen Gebieten lag die Rate der Todesopfer bei 80 Prozent der Bevölkerung, rund 2,5 Millionen Menschen lebten in überschwemmungsgefährdeten Häusern nicht mehr als drei Meter über dem Meeresspiegel.

„Die aufgezeichneten Hochwassermarken dienen als Richtwerte für numerische Modelle der komplexen hydraulischen Reaktion des riesigen Irrawaddy-Deltas“, so Fritz. „Numerische Simulationen werden uns zukünftig ermöglichen, Überflutungszonen und Gefährdungen für zukünftige Zyklon-Szenarien zu bestimmen. Basierend auf diesen werden dann gemeinsam mit internationalen Partnern und der Regierung von Myanmar Evakuierungsszenarien und Evaluierungspläne erstellt.“

Sturmflut und Wellen waren zwar nicht ungewöhnlich hoch für einen Wirbelsturm, die Auswirkungen wurden jedoch verschlimmert durch die Tatsache, dass es in unmittelbarer Küstennähe keine höher gelegenen Bereiche gab, in die evakuiert werden konnte. Auch gab es keine Evakuierungspläne. Die Menschen hatten keine vorherigen Erfahrungen mit Stürmen dieses Ausmaßes, ihre Häuser waren daher nicht sturmsicher gebaut. Zudem ist vielerorts die natürliche Schutzwirkung der Mangrovenwälder an der Küste durch deren Rodung verlorengegangen.

Bessere Vorbereitung auf zukünftige Katastrophen

Fritz hofft, dass die Arbeit seines Forscherteams, an dem auch Wissenschaftler der Myanmar Coastal Conservation Society sowie einer Nichtregierungsorganisation Myanmars beteiligt waren, dazu beitragen kann, in Zukunft die Verluste und Opfer eines solchen Sturms zu vermindern.

„Im 21. Jahrhundert mit moderner Kommunikation und allem, was über Zyklone in der Bucht von Bengalen gelernt worden ist, gibt es keinen Grund, warum 138.000 Menschen in einem Sturm wie diesem sterben müssen“, so der Forscher. „Mit adäquater Planung, Bildung und Schutzräumen sollte es möglich sein, die Opferzahlen in Zukunft um mindestens eine Größenordnung zu reduzieren.“

(Georgia Institute of Technology, 21.07.2009 – NPO)

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