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Physik

Physiker machen Elektronengas sichtbar

Elektronische Struktur einer Grenzschicht in einem Festkörper aufgeklärt

Festkörper aus zwei Oxid-Materialien, an deren Grenzschicht sich ein Elektronengas gebildet hat (grüner Bereich). Physiker der Universität Würzburg haben die Ausdehnung und die Dichte des Elektronengases erstmals präzise bestimmt. Das gelang mit der Technik der röntgeninduzierten Photoemissions-Spektroskopie. © Götz Berner

Mit Röntgenstrahlung lassen sich verborgene Strukturen sichtbar machen, etwa die Knochen des Menschen. Würzburger Physiker haben mit ihr jetzt erstmals auch die elektronische Struktur einer Grenzschicht in einem Festkörper aufgeklärt. Es handelt sich dabei um ein so genanntes Elektronengas.

Weshalb solche Grenzschichten erforscht werden? „Sie sind wichtig für die Funktionalitäten von modernen elektronischen Bauelementen wie Transistoren“, sagt Michael Sing vom Lehrstuhl für Experimentelle Physik der Universität Würzburg. Wer solche Bauelemente verbessern oder neu entwickeln will, sollte darum die Eigenschaften von Grenzschichten sehr gut kennen.

Elektronengas bei sehr tiefen Temperaturen supraleitend

Eine ganz spezielle Grenzschicht haben die Würzburger Physiker mit Kollegen von der Universität Augsburg und vom Schweizer Paul-Scherrer-Institut analysiert: Auf eine Unterlage aus Strontiumtitanat brachten sie hauchdünn wenige Schichten Lanthanaluminat auf. Sie interessierten sich für den Bereich, in dem die beiden Materialien aufeinandertreffen.

Warum gerade diese Materialien? Beide sind gute Isolatoren, leiten aber trotzdem elektrischen Strom, wenn man sie zusammenbringt. „An der Grenze zwischen ihnen bildet sich eine leitfähige Schicht, ein so genanntes Elektronengas, das bei sehr tiefen Temperaturen sogar supraleitend wird, den elektrischen Strom dann also verlustfrei transportiert“, erklärt Sing. Zudem lässt sich die Leitfähigkeit der Schicht an- und abschalten. Das mache die Materialien für zukünftige Anwendungen sehr interessant, so die Forscher.

Dichte und Dicke gemessen

Nachgewiesen wurde die leitfähige Schicht zwischen den beiden Materialien schon im Jahr 2004. Nun aber haben die Wissenschaftler erstmals mit hoher Präzision ihre Dichte und ihre Dicke bestimmt – beides sind entscheidende Kenngrößen für die elektronischen Eigenschaften leitfähiger Schichten.

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Ergebnis: Die leitfähigen Elektronen kommen nur in einer einzigen Lage von Strontiumtitanat vor, und zwar direkt an der inneren Grenzfläche zum Aluminat. „Mit dieser Struktur ist es in Zukunft vielleicht möglich, Bauelemente wie zum Beispiel Computerchips noch weiter zu verkleinern, weil die elektrisch leitfähige Schicht so schlank ist – sie besteht ja nur aus einer Atomlage“, erklärt Sing.

Perspektive: Bauteile für aggressive Umgebungen

Außerdem eignen sich die beiden Materialien womöglich als Alternative zum Silizium, dem derzeit wichtigsten Ausgangsmaterial für die Halbleiterindustrie. Denn Bauelemente auf Silizium-Basis haben den Würzburger Physikern zufolge Nachteile: Bei Temperaturen über 200 Grad Celsius und auch bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt funktionieren sie nicht einwandfrei.

Anders sehe das bei so genannten Oxid-Keramiken aus – zu dieser Materialgruppe gehören auch Lanthanaluminat und Strontiumtitanat. Oxid-Keramiken können laut Sing durchaus auch in aggressiven Umgebungen eingesetzt werden, etwa in Müllverbrennungsanlagen oder im Weltraum. An Orten also, an denen entweder sehr hohe oder sehr tiefe Temperaturen herrschen.

Nächstes Ziel: Funktionierendes Bauelement analysieren

Nächstes Ziel der Würzburger Physiker ist es, die elektrisch leitfähige Grenzschicht in einem funktionierenden Bauelement zu analysieren. Dafür wollen sie einen Feldeffekttransistor aus Lanthanaluminat und Strontiumtitanat verwenden. Von den Experimenten erhoffen sie sich noch mehr Wissen über die Vorgänge, die beim Schalten eines Stromes in einer solchen Schichtstruktur ablaufen.

Die Messmethode

Ihre Experimente beschreiben die Forscher im Fachblatt „Physical Review Letters“. Sie haben eine moderne Variante der so genannten röntgeninduzierten Photoemissions-Spektroskopie eingesetzt. Die Methode beruht auf dem schon lange bekannten Photoeffekt: Elektronen absorbieren Röntgenstrahlung, nehmen dadurch viel Energie auf und werden beschleunigt. Wegen ihrer großen Geschwindigkeit sind sie nun dazu in der Lage, in einem Festkörper etliche Atomschichten zu durchdringen und ihn durch seine Oberfläche hindurch zu verlassen.

Dort werden die schnellen Elektronen dann nachgewiesen, ihre Geschwindigkeiten gemessen. Das lässt Rückschlüsse darüber zu, von welchem Atomtyp sie stammen und in welchem Ladungszustand sich die Atome befinden. „Variiert man die eingestrahlte Röntgenenergie und damit das Ausmaß, in dem die Elektronen aus dem Festkörper austreten, kann man ein elektronisches und chemisches Tiefenprofil erstellen und daraus ein Abbild der untersuchten Struktur rekonstruieren“, erklärt Sing.

(idw – Universität Würzburg, 02.07.2009 – DLO)

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