Verklärt durch die siegreiche Schlacht der Germanen gegen die Römer im Teutoburger Wald, beeindruckt vom Märchenwald der Gebrüder Grimm, verzaubert von den Landschaftsbildern des Malers Caspar David Friedrich? So romantisch und mythisch sehen die Deutschen ihren Wald – dachte man zumindest. Doch diese Sicht ist längst nicht so weit verbreitet, wie bisher vermutet. Das belegt jetzt eine neue Studie deutscher Wissenschaftler. Und noch ein Ergebnis überraschte die Forscher: Die Deutschen wissen nur wenig über den Wald und seine Funktionen.
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Für die Analyse im Projekt „Mensch und Wald“ nutzten die Forscher das Lebenswelt-Modell der sozialen Milieus des Instituts Sinus Sociovision Heidelberg. „Das Modell ermöglicht eine nach sozialem Status, Werten und Lebensstilen differenzierte Sicht auf die Einstellungen zu Wald, Forstwirtschaft und Holz“, erläutert Peter Neitzke vom Hannoveraner Ecolog-Institut und zugleich Leiter des Forschungsverbundes.
Romantisches Bild kein Normalfall
Nach der Befragung von 3.756 Personen stand für Kulturwissenschaftlerin Silke Kleinhückelkotten vom Ecolog-Institut fest: „Das romantische Bild vom Wald, diese emotionale Nähe, ist nicht überall in der Gesellschaft so verhaftet wie bisher angenommen.“ Die Studie räumt zudem mit den Klischees vom Waldbewusstsein der Deutschen auf. Wer dachte, dass in dem Land, in dem Anfang der 1980er Jahre der Begriff des Waldsterbens geprägt wurde, das Wissen um ökologische Funktionen des Waldes weit verbreitet ist, der irrt. Dass Bäume Sauerstoff liefern, Luft filtern oder Tier- und Pflanzenarten beherbergen, ist nur einem Drittel der Befragten bekannt.
Noch weniger geläufig ist die Rolle, die der Wald für Wasserhaushalt, Klima und Bodenschutz hat. Weitgehend unbekannt ist auch, welche Arbeit der Förster im Wald tatsächlich leistet: 78 Prozent der Befragten gaben an, nur wenig über die Forstwirtschaft zu wissen. „Die Forstwirtschaft ist von der Lebenswelt der meisten Menschen weit weg“, analysiert Kleinhückelkotten.
Hüter des Waldes
Allerdings dokumentieren die Forschungsergebnisse, dass die Forstwirtschaft keinen schlechten Ruf hat: In der Person des Försters sehen fast 90 Prozent der Befragten den traditionellen Hüter des Waldes. Deutlich mehr als 80 Prozent haben kein Problem damit, den Wald wirtschaftlich zu nutzen. Voraussetzung: Es darf nicht mehr Holz entnommen werden als nachwächst.
Immerhin 69 Prozent attestieren der Forstwirtschaft, dass in den Wäldern heute ökologischer als vor zehn Jahren gearbeitet wird. Nachvollziehbar wird damit das positive Image von Holz.
Standardprogramme ungeeignet
Die unterschiedlichen Einstellungen der sozialen Milieus stellen für alle, die das Thema Wald und Holz oder das Leitbild der nachhaltigen Waldwirtschaft bekannt machen wollen, eine Herausforderung dar. Denn: Wer soll eigentlich die Zielgruppe für die Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit sein? Das Problem: „Mit dem Standardprogramm wie Führungen, Ausstellungen oder Infomaterialien werden die immer gleichen Naturinteressierten, die Waldromantiker und die Waldfreunde, erreicht“, stellt Neitzke fest.
Um erfolgreich in einer Landesforstverwaltung, einem Forstamt oder einer waldpädagogischen Einrichtung Bildungsarbeit zu leisten, ist deshalb eine Analyse nötig, welche Zielgruppen angesprochen werden sollen. Es kann durchaus ein Ziel sein, sich ausdrücklich an die gesellschaftlichen Leitmilieus zu wenden. Wesentlich ist es aber, dass für die jeweilige Zielgruppe geeignete Kommunikationskanäle genutzt werden. Kleinhückelkotten: „Die Angebote müssen den Erwartungen der Zielgruppen gerecht werden.“
Projekt „Waldwissen“
Wie schwierig ein konzeptionelles Vorgehen in der forstlichen Umweltkommunikation ist, zeigt der BMBF-Verbund „Waldwissen“ der Universitäten Lüneburg und Freiburg. „Die forstliche Umweltbildung liegt in einem konfliktträchtigen Spannungsfeld“, sagt Biologin Christine Katz, die das drei Jahre dauernde Projekt leitete. Auf der einen Seite wurde infolge der Forstreformen die Verwaltung umgebaut, Aufgaben gebündelt und Stellen verschoben.
Langfristig, so prognostiziert Katz, sei eher von einer sukzessiven personellen Austrocknung auszugehen, da sich die waldbezogene Umweltbildungsarbeit betriebswirtschaftlich nicht rechne. Auf der anderen Seite mangelt es der waldbezogenen Umweltbildung an einer konsequenten organisatorischen Zuordnung in den Bundesländern. Schon häufen sich die Klagen: Vielen Umweltbildnern/innen werde über geringere Bezahlung, ungenügende Karrieremöglichkeiten, niedrigere Wertschätzung innerhalb des Forstapparats und mickrige Personalausstattung vermittelt, dass ihre Tätigkeit im Vergleich zu anderen weniger wert sei. Eine Professionalisierung der forstlichen Umweltbildung tut deshalb Not.
Wald gehört zum guten Leben dazu
Was Forscherin Katz in der Diskussion aber vor allem vermisst, ist ein klares Bekenntnis der Politik. „Die Politik muss den gesellschaftlichen Auftrag des Forstes genauer benennen: Soll der Forst Öffentlichkeitsarbeit machen oder soll er moderne Bildungsarbeit im Sinne einer Bildung für nachhaltige Entwicklung leisten?“
Die Frage bleibt unbeantwortet, noch. Die Wertschätzung der meisten Deutschen für den Wald dürfte die andauernde Diskussion aber nicht schmälern. Für 93 Prozent von ihnen gehören laut der oben zitierten Umfrage Wald und Natur zu einem guten Leben einfach dazu.
(idw – Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ, 17.06.2009 – DLO)