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Sonnensystem

Heliosphäre: Mischung aus Croissant und Kugel?

Schützende Plasmablase des Sonnensystems ist anders geformt als angenommen

Heliosphäre
Könnte so die schützende Plasmablase unseres Sonnensystems aussehen? Gelb dargestellt ist hier die Heliopause – die Außengrenze der Heliosphäre, die roten Linien zeigen die Magnetfeldlinien des von der Heliosphäre abgelenkten interstellaren Mediums. © Opher et al.

Überraschend komplex: Die Plasmablase des Sonnensystems ist anders geformt als bisher gedacht. Demnach ist die Heliosphäre nicht kometenförmig ausgezogen, sondern eher rund und gleicht in manchen Aspekten sogar einem gebogenen Croissant, wie Forscher im Fachmagazin „Nature Astronomy“ berichten. Dies erklärt auch die zunächst überraschenden Messdaten der Raumsonden Cassini und Voyager.

Heliosphäre
Bisher hielt man die Heliosphäre für kometenartig nach hinten ausgezogen. © NASA

Die Heliosphäre umfasst ein Gebiet, das von der Sonne aus etwa doppelt so weit ins All hinausreicht wie die Umlaufbahn des Pluto. Diese vom solaren Magnetfeld und dem Sonnenwind gebildeten Blase schirmt uns vor energiereichen, interstellaren Teilchenströmen ab. Lange gingen Astronomen davon aus, dass diese Heliosphäre nach hinten zu einem langen Plasmaschweif ausgezogen ist – ähnlich wie das irdische Magnetfeld auf der sonnenabgewandten Seite oder der Schweif eines Kometen.

Widersprüchliche Beobachtungen

Doch Daten der NASA-Sonde Cassini brachten vor einigen Jahren dieses Bild ins Wanken. Sie zeigten, dass schnelle, neutrale Atome, die von der Außengrenze der Heliosphäre zurückgeworfen werden, aus allen Richtungen gleich lang unterwegs sind. Dies spricht gegen eine kometenförmige und für eine eher runde Form der Heliosphäre. Gestützt wird dies von Daten der beiden Voyager-Sonden, die die Grenze zum interstellaren Raum in fast dem gleichen Sonnenabstand erreichten – obwohl ihre Flugbahnen um fast 90 Grad auseinanderliegen.

Das Merkwürdige nur: Diese Beobachtungen passen nicht zu neueren astrophysikalischen Modellen. Denn nach diesen dürfte die Heliosphäre weder kometenförmig noch rund sein. Stattdessen müsste sie eher wie eine Sichel oder ein Croissant geformt sein – mit zwei seitlich nach hinten wegziehenden Plasmaschweifen.

Zwei Arten von schnellen Ionen

Wie aber ist diese Diskrepanz zu erklären? Eine Antwort darauf könnten nun Merav Opher von der Boston University und ihre Kollegen gefunden haben. Denn wie sie herausgefunden haben, ist die Heliosphäre durch zwei unterschiedliche Teilchenpopulationen geprägt. Die erste Gruppe besteht aus geladenen Partikeln, die direkt aus dem Sonnenwind stammen.

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Die zweite Gruppe von Teilchen in der Heliosphäre sind sogenannte „Pick-Up“-Ionen (PUI). Sie strömen als neutrale Atome weitgehend ungehindert aus dem interstellaren Medium in die Heliosphäre ein. Dort jedoch werden sie durch den Sonnenwind beschleunigt und so stark aufgeheizt, dass sie Elektronen verlieren und ionisiert werden. Indizien dafür haben unter anderem Daten der NASA-Raumsonde New Horizons geliefert.

Rundlich kompakt und gleichzeitig gebogen

Opher und ihr Team haben nun ein neues dreidimensionales Modell der Heliosphäre entwickelt, das erstmals diese beiden Teilchenpopulationen berücksichtigt. „Die Präsenz der Pick-Up-Ionen als separates Fluid verändert die Energetik der Heliosphärenhülle und ihre Struktur auf doppelte Weise“, berichten die Forscher. Zum einen schwächen sie den Termination Shock – eine Stoßwelle innerhalb der Heliosphäre – ab und erlauben so eine stärkere Kompression dieser Grenzregion. Zum anderen strömen die sekundären Ionen schneller entlang der Magnetfeldlinien zur Seite ab als die Ionen des Sonnenwinds.

Beides zusammen führt dazu, dass die Heliosphäre eine kompakte, eher runde Form annimmt. In bestimmten Energiebereichen jedoch zeigen sich gebogene, seitlich nach hinten ragende Partikelströme. Insgesamt ähnelt die Heliosphäre dadurch einer Kreuzung aus einem Ball und einem Croissant, wie Opher und ihre Kollegen erklären.

Ob ihr Modell korrekt ist, lässt sich anhand der bestehenden Daten allein noch nicht sagen. „Zukünftige Messungen aus der Ferne und vor Ort werden jedoch überprüfen können, ob die rundere Heliosphäre der Wirklichkeit entspricht“, so die Forscher. Bis allerdings eine Raumsonde diese äußere Grenze des Sonnensystems erreicht, werden noch Jahrzehnte vergehen. (Nature Astronomy, 2020; doi: 10.1038/s41550-020-1036-0)

Quelle: Boston University

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