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Astronomie

Erster Extrem-Radioblitz aus unserer Milchstraße

Entdeckung enthüllt einen Magnetar als Urheber der Fast Radiobursts

CHIME
Bisher war die Ursache der Fast Radiobursts ein Rätsel. Jetzt haben Astronomen mithilfe des CHIME-Teleskops – hier im Bild – erstmals die Quelle identifiziert.© Andre Renard / CHIME Collaboration

Galaktischer Glücksfall: Zum ersten Mal haben Astronomen einen Fast Radioburst aus unserer eigenen Galaxie eingefangen – und so den Urheber dieses ultrakurzen, energiereichen Radioblitzes identifiziert. Er stammt demnach von einem rund 30.000 Lichtjahre entfernten Magnetar. Diese Neutronensterne mit extrem starkem Magnetfeld galten schon länger als mögliche Quelle der rätselhaften Radioblitze, aber erst jetzt gelang der Nachweis.

Sie dauern nur wenige Millisekunden, setzen in dieser Zeit aber so viel Energie frei wie unsere Sonne an einem ganzen Tag. Fast Radiobursts (FRB) gehören zu den rätselhaftesten Phänomen des Kosmos. Denn bisher ist unklar, was diese ultrakurzen Radioblitze verursacht – auch, weil alle bislang detektierten FRBs aus anderen Galaxien und damit weiten Entfernungen kamen. Zudem treten einige dieser Radiopulse in Serie auf, während andere Einzelereignisse sind.

Immerhin: Erste Hinweise auf mögliche Urheber dieser Radiopulse gab es schon. So deutet die starke Polarisierung dieser Signale darauf hin, dass diese Ausbrüche von Radiostrahlung aus einem stark magnetisiertem Umfeld stammen müssen. Kandidaten dafür wären Neutronensterne, die im Magnetfeld eines supermassereichen Schwarzen Lochs liegen oder auch junge Magnetare – Neutronensterne, die schnell rotieren und selbst extrem starke Magnetfelder erzeugen. Nachweisen ließ sich das aber bislang nicht.

Radiopuls aus dem Milchstraßenzentrum

Doch das hat sich nun geändert. Erstmals ist es Astronomen gelungen, einen Fast Radioburst aus unserer eigenen Galaxie einzufangen. Detektiert hat ihn das Canadian Hydrogen Intensity Mapping Experiment (CHIME) in British Columbia – eine Anlage aus vier fußballfeldgroßen, halbkreisförmig gewölbten Reflektor-Ensembles, die den Himmel kontinuierlich im Frequenzbereich von 400 bis 800 Megahertz absuchen.

Am 28. April 2020 registrierte das CHIME-Teleskop einen kurzen, aber starken Radiopuls mit zwei klar abgegrenzten, nur Millisekunden auseinander liegenden Peaks. Nähere Analysen des Signals ergaben, dass dieser Radiopuls alle klassischen Merkmale eines FRB aufwies. Doch dieser FRB 200428 getaufte Radiopuls war nicht extragalaktisch, sondern stammte aus einem nur rund 30.000 Lichtjahre entfernten Bereich nahe des Milchstraßenzentrums. Damit ist dies der erste Fast Radioburst in unserer eigenen Galaxie.

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Magnetar als Urheber

Noch wichtiger aber ist, dass die Astronomen dieses Radiosignal erstmals zu einer astronomischen Quelle zurückverfolgen konnten – einem Magnetar. Dieser war schon am Tag vor dem Radioblitz zu neuer Aktivität erwacht. Der SGR 1935+2154 getaufte Neutronenstern strahlte wiederholt starke Pulse von Röntgenstrahlen ab, die von mehreren Weltraumteleskopen detektiert wurden. „Unsere Kollaboration wurde daher gebeten, die Augen aufzuhalten“, berichtet Kiyoshi Masui vom Massachusetts Institute of Technology (MIT).

Magnetar
Magnetare sind schnellrotierende Neutronensterne mit extrem starken Magnetfeldern. © McGill University

Als dann das CHIME-Teleskop am nächsten Tag tatsächlich einen Radioburst von diesem Magnetar detektierte, war die Sensation perfekt. Denn damit lässt sich nun ein Fast Radioburst erstmals mit Strahlenausbrüchen in anderen Wellenbereichen in Verbindung bringen – und dies verrät seinen mutmaßlichen Urheber. „Wenn dieser Radiopuls von irgendeinem anderen Objekt im Umfeld des Magnetars kommen sollte, wäre dies ein ziemlich großer Zufall“, sagt Masui.

Heller als alle anderen galaktischen Radiopulse

FRB 200428 beweist erstmals, dass Magnetare offenbar weit stärkere Radiopulse produzieren können als bislang genommen. Denn das kurze Signal aus dem Milchstraßenzentrum setzte im Radiowellenbereich die Energie von 10 hoch 34 erg frei. Das sei 3.000 Mal mehr als jeder andere zuvor in unserer Galaxie von einem Magnetar registrierte Radiopuls, so die Astronomen. „Die Messung seiner Helligkeit bestätigte, dass es sich hierbei nicht um einen normalen Radiopuls handelte“, erklärt Masui.

Ähnliches ergaben auch Messungen eines weiteren Radioteleskops, dem Survey for Transient Astronomical Radio Emission 2 (STARE2) in den USA, wie ein zweites Astronomenteam in der gleichen Nature-Ausgabe berichtet. „Das Ereignis vom 28. April 2020 am Magnetar SGR 1935+2154 demonstriert damit eindeutig, dass Magnetare weit stärkere Radiopulse produzieren können als bislang in unserer Galaxie beobachtet wurden“, schreiben die Forscher der CHIME-Kollaboration.

Zwei Entstehungs-Szenarien

Nach Ansicht der Astronomen könnten demnach zumindest einige Fast Radiobursts auf Magnetare zurückgehen. Wie diese Neutronensterne diese extremen Radiopulse erzeugen, ist jedoch unklar. Theoretisch würden dafür zwei Mechanismen in Frage kommen, wie die Forscher erklären: Zum einen könnten die intensiven Radioausbrüche innerhalb der Magnetosphäre des Magnetars entstehen, dazu würden die ultrakurze Dauer und die scharfe Trennung der beiden Peaks von FRB 200428 passen.

Eine andere Möglichkeit wäre, dass der Fast Radioburst erst im Umfeld des Magnetars durch Synchrotronstrahlung entsteht. Dabei prallen bei Strahlenausbrüchen ausgeschleuderte Elektronen und andere Teilchen in einiger Entfernung vom Magnetar auf Reste früherer Ausbrüche. Dies erzeugt eine stark magnetisierte Schockfront, von der dann die Radiowellen ausgehen. Die Forscher hoffen, dass weitere Beobachtungen des Magnetars SGR 1935+2154 ihnen verraten können, welches Szenario stimmt.

Magnetare können nicht alle Radiobursts erklären

Allerdings: Alle kosmischen Radioblitze lassen sich möglicherweise nicht durch Magnetare erklären. Denn FRB 200428 ist eine bis zwei Größenordnungen schwächer als die bislang schwächsten extragalaktischen Radioblitze. Nach Ansicht der Astronomen könnte es daher sein, dass zumindest einige besonders intensive Fast Radioburst auf einen anderen Urheber zurückgehen.

„Aber unser Hauptfokus jetzt liegt erstmal darauf, diese eine Quelle näher zu erforschen und herauszufinden, was sie uns über die Entstehung der Fast Radiobursts verraten kann“, sagt Masui. (Nature, 2020; doi: 10.1038/s41586-020-2863-y; doi: 10.1038/s41586-020-2872-x)

Quelle: Massachusetts Institute of Technology (MIT)

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