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Phänomene

Weichenstellung im Mutterleib

Wie ein Embryo zu Mann oder Frau wird

Schon in der Schule lernen wir, dass das Geschlechtschromosom darüber entscheidet, ob ein Mädchen oder ein Junge das Licht der Welt erblickt. Doch so selbstverständlich wir von dieser Annahme ausgehen, so unzureichend ist sie bei genauerem Hinsehen: Jeder gesunde Embryo weist zunächst die Anlagen für beide Geschlechter auf.

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Weiblich trotz Y-Chromosom

Erst unter dem Einfluss von Hormonen, die während der Schwangerschaft im Kreislauf des Kindes zirkulieren, entscheidet es sich, welche Geschlechtsorgane weiterentwickelt werden. Das männliche Geschlechtshormon Testosteron bewirkt, dass der Penis wächst und sich Hoden und Samenleiter formen.

Fehlen auf den Zellen jedoch die Rezeptoren, die molekularen „Aufnahmestationen“ für Testosteron, dann passiert auch bei einem Kind mit typisch männlicher Geschlechtschromosomen-Kombination (XY) etwas ganz anderes: Es formen sich Gebärmutter, Eileiter und Vagina, die Entwicklung der männlichen Geschlechtsorgane wird gestoppt. Wenn die Hebamme das Kind nach

der Geburt den Eltern übergibt, wird sie sagen: „Es ist ein Mädchen!“ Und ohne Chromosomentest kommt auch später niemand auf die Idee, dass es sich faktisch um einen Jungen handelt.

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Auch die Hormone der Mutter beeinflussen den Embryo im Mutterleib. © Janula/ iStock.com

Hormone der Mutter wirken mit

Neben Reifungsprozessen im Gehirn des Kindes beeinflusst auch der Hormonhaushalt der Mutter das Geschehen. Wenn Frauen während der Schwangerschaft in kritischen Phasen männliche Hormone einnehmen, führt das zu Anomalien bei der Geschlechtsbildung von weiblichen Föten. Sie weisen eine stark vergrößerte Klitoris und ein insgesamt männlicheres Äußeres auf.

Vorgeburtliche hormonelle Einflüsse werden zudem verdächtigt, sich auf die späteren sexuellen Neigungen auszuwirken. Einer Pilotstudie zufolge werden Kinder, deren Mütter in der Schwangerschaft Progesteron eingenommen haben, später überdurchschnittlich oft bisexuell.

Festzuhalten gilt: Hormone im Blut des Kindes – ob sie vom kindlichen Körper selbst produziert werden oder über die Nabelschnur in den Kreislauf des Fötus gelangen – prägen die pränatale Entwicklung der Geschlechtsorgane und scheinen sich darüber hinaus auf die spätere sexuelle Orientierung des Menschen auszuwirken.

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Sabina Pauen & Miriam Schneider, Universität Heidelberg/ Ruperto Carola
Stand: 25.08.2017

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Der kleine Unterschied
Was macht uns zu Mann oder Frau?

Weichenstellung im Mutterleib
Wie ein Embryo zu Mann oder Frau wird

Aktive Jungs, soziale Mädchen?
Unterschiede gibt es schon bei Neugeborenen

Prägung schon in der Wiege
Der subtile Einfluss der Sozialisation

Kindergarten als Scheideweg
Wie sich die Geschlechterrollen festigen

Frauengehirn – Männergehirn?
Was Frau und Mann neurologisch unterscheidet

Östrogen, Testosteron und Co.
Welche Rolle spielen die Hormone?

Ein komplexes Zusammenspiel
Was macht uns nun zu Frau und Mann?

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6.500 Gene sind bei beiden Geschlechtern unterschiedlich aktiv

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