Anzeige
Anthropogeographie

Plastik für die Ewigkeit?

Von zu langer Haltbarkeit und plastikfressenden Bakterien

Erst in ungefähr 450 Jahren sind solche Plastikflaschen fast verrottet. © kakuko/ pixabay

Als ein Vorteil von herkömmlichem Plastik galt früher, dass dieser lange haltbar ist – zu lange haltbar kann man inzwischen sagen. Denn Experten gehen heute davon aus, dass Standard-Kunststoff niemals komplett von Mikroorganismen zersetzt wird. Eine Wegwerfwindel oder eine Plastikflasche braucht laut dem Bundesumweltamt 450 Jahre, bis sie weitgehend zersetzt ist. Vollständig verrottet ist sie aber auch dann nicht.

Deswegen findet man inzwischen sowohl in den Ozeanen, als auch in Flüssen und sogar in Getränken und Honig bereits Mikroplastik – kleinste Kunststoffteilchen, die unsere Kläranlagen meist nicht herausfiltern können. Doch wie ist das mit dem Biokunstoff, zersetzt er sich tatsächlich schneller und schont damit unsere Umwelt?

Biologisch abbaubar ja – kompostierbar nein

Nach dem Einkauf die Tomaten aus der Verpackung nehmen und dann mit der Schale zum Kompost geben. Nach ein paar Wochen sehen wir keinen Plastik mehr, aber dafür braune, nährstoffreiche Erde, die im Blumenbeet verteilt wird. Viele Menschen stellen sich so den Abbau von Biokunststoff vor. In der Realität funktioniert das mit dem Biokunststoff aber meistens nicht so einfach – obwohl Zertifikate dies suggerieren.

Das wohl bekannteste Logo für Biokunststoffe ist das Seedling-Zeichen. Produkte, die eine Zertifizierung nach Din EN 13432 durchlaufen, dürfen diesen stilisierten Keimling auf ihre Ware drucken. Der Kunststoff ist dann zwar nachweislich biologisch abbaubar aber er zersetzt sich nicht unbedingt auf dem heimischen Kompost. Die Ursache dafür liegt in den Vorgaben der Norm.

Das Seedling-Logo signalisiert, dass ein Produkt biologisch abbaubar ist. Auf den Kompost gehört es deshalb aber noch nicht. © creative commons

Kunststoffprodukte müssen dafür nur nachweisen, dass sie sich in industriellen Kompostieranlagen zersetzen. Nach zwölf Wochen soll sich dort 90 Prozent der Polymermasse in Kohlendioxid umgewandelt haben. Da in den Anlagen konstantes Klima herrscht und die Temperatur mit circa 70 Grad Celsius sehr hoch ist, bekommen viele Produkte auch das Zertifikat.

Anzeige

Auf dem heimischen Kompost oder in der freien Umwelt kann es aber passieren, dass sich der Kunststoff überhaupt nicht oder nur sehr langsam zersetzt. Denn dort ist es einiges kühler als in der Anlage und die Temperatur schwankt. Im Bioabfall darf die Tüte deswegen gerne landen, auf den Komposthaufen im Garten gehört sie aber nicht. Gleiches gilt für die Entsorgung in der Natur. Deswegen belasten auch die Rückstände dieser Biokunststoffe unsere Umwelt dauerhaft.

Umstrittener Mehrwert

Ein anderes Label unterscheidet eindeutig zwischen der Abbaubarkeit auf dem Kompost und der in einer Industrieanlage. Die belgische Zertifizierungsorganisation vergibt dazu die Logos „OK compost“ und „OK composthome“. Das home-Logo steht dafür, dass sich der Plastik tatsächlich auch im heimischen Kompost abbaut, also auch bei normaler Temperatur.

Trotzdem sind auch diese kompostierbaren Produkte umstritten. Denn meistens hat die Kompostierung keinen Mehrwert für die Böden. Statt den gewünschten Nährstoffen entsteht aus den Biokunststoffen hauptsächlich Kohlenstoffdioxid und Wasser. Zur Bodendüngung sind die Reste daher nicht geeignet, sie verunreinigen aber auch nicht über Jahrhunderte unsere Umwelt.

PET und Co: Je stabiler desto besser

Ein ganz anderes Abbauverhalten weisen Biokunststoffe auf, die ausschließlich biobasiert, aber nicht abbaubar sind. Dazu gehören zum Beispiel die „drop in“ Kunststoffe. Sie haben dieselben Eigenschaften wie ihre erdölbasierten Kollegen. Sie sind deswegen auch genauso lange haltbar und stabil.

Bei diesen Kunststoffen ist die Abbaubarkeit oft kein Thema für Entwickler. Es geht ihnen darum, das knappe Erdöl zu ersetzen, aber den Kunststoff trotzdem haltbar zu machen, damit er lange genutzt werden kann. Diese Kunststoffe tragen deswegen überhaupt nicht dazu bei, den Plastikmüll im Meer oder der Umwelt zu reduzieren. Wie bei den erdölbasierten Kunststoffen gilt deswegen: So lange wie möglich verwenden und dann richtig entsorgen. Dadurch wird unsere Natur am wenigsten belastet.

Einen kleinen Hoffnungsschimmer sehen manche Forscher jedoch in dem winzigen Lebewesen Ideonella sakaiensis. Das Bakterium ernährt sich von PET und sorgt damit dafür, dass sich Kunststoff wesentlich schneller zersetzt. Bei 30 Grad Celsius hatten die Bakterien nach sechs Wochen Teile einer PET-Folie nahezu vollständig zersetzt.

  1. zurück
  2. |
  3. 1
  4. |
  5. 2
  6. |
  7. 3
  8. |
  9. 4
  10. |
  11. 5
  12. |
  13. 6
  14. |
  15. 7
  16. |
  17. 8
  18. |
  19. weiter

Hanna Diewald
Stand: 14.10.2016

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Wundermaterial Biokunststoff
Nischenprodukt oder Werkstoff der Zukunft?

Bio ist nicht gleich Bio
Ein Name zwei Varianten

Vom Lebewesen zum Kunststoff
Die wundersame Verwandlung der Pflanzen und Abfälle

Plastik für die Ewigkeit?
Von zu langer Haltbarkeit und plastikfressenden Bakterien

Umstrittene Ökobilanz
Tatsächlich Bio oder doch nur greenwashing?

Vielseitiger Biokunststoff
Mehrwert für spezielle Anwendungsgebiete

Der komplizierte Weg des Biokunststoff
In welcher Tonne soll er landen?

Renaissance des Biokunststoff
Eine alte Idee wird neu entdeckt

Diaschauen zum Thema

News zum Thema

Farm für Mikroorganismen
TU-Chemiker stellen Kunststoffe aus Abfällen her

Dossiers zum Thema