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Anthropogeographie

Multitasking im Flug

Knapp unter den Wolken unterwegs

Baoquan Song startet den Motor. Ein lautes Röhren und Knattern dringt durch die Kopfhörer an meine Ohren. Die Maschine wackelt und vibriert, so dass ich überlege, wie ich jemals ein leserliches Wort zu Papier bringen soll, wenn ich mir Notizen machen möchte. Während mein Pilot eine Reihe von Knöpfen, Schaltern und Hebeln betätigt, studiere ich die zahlreichen Instrumente vor uns.

Als Luftbildarchäologe kann Baoquan Song sich nicht nur auf das Fliegen konzentrieren. Zwischendurch muss er das Steuer loslassen und fotografieren. © RUBIN/ Marquard

Pilot, Navigator, Archäologe und Fotograf zugleich

Ein paar wirken vertraut, ein Kompass, eine Höhenanzeige, ein Geschwindigkeitsmesser. Aber es gibt noch viele andere, die mir gar nichts sagen. Ich erinnere mich an etwas, das Song mir auf der Hinfahrt erzählt hat: „Wenn ich fliege, muss ich vier Jobs gleichzeitig übernehmen: Pilot, Navigator, Archäologe und Fotograf.“ Er schnallt sich mit einem elastischen Klettverschlussband ein Notizbuch um das Bein, hängt die Spiegelreflexkamera mit Teleobjektiv um den Hals und greift zum Steuer.

Langsam setzen wir uns in Bewegung und rollen zur Startbahn. Song nimmt Funkkontakt mit dem Tower auf, was sich mit einem lauten Rauschen und Knistern in meinen Kopfhörern bemerkbar macht. Wir erhalten aktuelle Informationen über Windstärke und -richtung, dann nehmen wir Geschwindigkeit auf und heben ab.

Im Sommer 2015 wurde in Haltern die Westumwehrung eines ehemaligen römischen Legionslagers rekonstruiert. Mit seinen Luftbildern dokumentierte Baoquan Song die gesamten Ausmaße, die das Lager einst hatte. © Baoquan Song

In der Luft

Die Sonne gleißt, blendet uns, aber lässt auch die Landschaft unter uns in malerischen Herbstfarben leuchten. Es ist nicht die optimale Jahreszeit, um archäologische Fundstellen aus der Luft zu betrachten, hatte Song mir gesagt. Aber die rot-gelben Wälder sind auf jeden Fall ein fantastischer Anblick. Auf rund 650 Meter Höhe sind wir aufgestiegen, und hier in der Luft fühlt sich die Maschine nun viel ruhiger an.

Wieder erklingt das Rauschen in den Kopfhörern, dann die Stimme meines Sitznachbarn: „Delta-Echo-Echo-Charley-Mike. Cessna 172. Lokalflug von Marl, gerade gestartet. Machen einen Fotoflug und erbitten Verkehrsinformationen.“ Eine zweite Stimme krächzt eine Antwort zurück, die für mich nur bruchstückhaft aus dem Rauschen herauszufiltern ist.

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Baoquan Song erklärt, dass wir ab jetzt auf dem Radar-Bildschirm der deutschen Flugsicherung zu sehen sind und Informationen über andere Flugzeuge erhalten, die in unserer Nähe sind. Das hilft, sicher unterwegs zu sein. Denn anders als ein normaler Pilot, kann sich der Luftbildarchäologe nicht nur auf das Fliegen konzentrieren.

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RUBIN / Julia Weiler / Ruhr Universität Bochum
Stand: 08.04.2016

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Mit einem Luftbildarchäologen unterwegs
Vom Himmel aus unter die Erde geschaut

"Es macht einfach süchtig"
Ein Archäologe geht in die Luft – seit 20 Jahren

Multitasking im Flug
Knapp unter den Wolken unterwegs

Fast unsichtbare Spuren
Wie machen sich archäologische Relikte bemerkbar?

Allgegenwärtige Vergangenheit
Luftbilder decken Verborgenes auf

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