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Physik

Antimaterie als Treibstoff?

Wie realistisch ist ein "Warp-Antrieb"?

Ohne seinen Warp-Antrieb wäre das Raumschiff Enterprise nur eine lahme Ente. Erst die Interaktion von Antimaterie und Materie in seinem „Warp-Kern“ sorgt dafür, dass das Schiff mit Überlichtgeschwindigkeit die unendlichen Weiten des Alls erkunden kann. Zwar ist ein Tempo schneller als das Licht auch nach heutigen Stand reine Fiktion, das Prinzip eines Antimaterie-Antriebs aber keineswegs.

Die Annihilation von Antimaterie setzt große Mengen Energie frei © Carlos Koblischek / freeimages

Fakt ist: Die Annihilation von Antimaterie mit Materie setzt ungeheure Mengen Energie frei, denn bei dieser Reaktion wandelt sich in Sekundenbruchteilen nahezu die gesamte Masse der Teilchen in Energie um. Die Antimaterie-Materie-Reaktion produziert dadurch zehn Milliarden Mal mehr Schub als ein herkömmlicher Raketenantrieb auf Wasserstoff-Sauerstoff-Basis und 300 Mal mehr als ein Kernreaktor.

Reicht nur für eine Glühlampe

Theoretisch würde man daher für einen Flug zum Mars nur rund zehn Milligramm Positronen oder zehn Gramm Antiprotonen benötigen – sozusagen einen Fingerhut voll. Das klingt wenig, ist aber ein zumindest mit heutiger Technologie unlösbares Problem. Denn bisher lässt sich Antimaterie nur mit großem Aufwand und in winzigen Mengen in Teilchenbeschleunigern erzeugen. In ihrer gesamten bisherigen Laufzeit haben alle Beschleuniger der Welt zusammen jedoch nicht einmal ein Millionstel Gramm Antimaterie produziert. Das würde gerade einmal ausreichen, um eine Glühlampe für wenige Minuten brennen zu lassen.

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Hinzu kommt: Die Kosten und Energie, um die benötigte Menge Antimaterie zu produzieren, wären enorm. Nach Angaben des CERN bräuchte man für ein Gramm Antimaterie etwa 25 Billiarden Kilowattstunden Strom – selbst mit einem extrem günstigen Strompreis wäre das unglaublich teuer. Der britische Physiker Frank Close schätzt, dass die Herstellung von nur einem Gramm Antimaterie mehr als eine Billion US-Dollar kosten könnte.

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Das Lager-Problem

Aber gesetzt den Fall, die Menschheit würde irgendwie einen Weg finden, die im Weltraum oder auf der Erde natürlicherweise produzierten Antiteilchen einzufangen? Dann würde direkt die nächste Herausforderung warten: die Speicherung der Antimaterie. Denn um eine unkontrollierte Auslöschung zu verhindern, dürfen die Antiteilchen nicht mit normaler Materie in Kontakt kommen.

Dies lässt sich beispielsweise mit Hilfe spezieller Magnetkäfige wie der sogenannten Penningfalle erreichen. Allerdings: Das klappt bisher maximal 16 Minuten lang – für einen Weltraumflug nicht wirklich lang genug. Und für ein Raumschiff und seine Besatzung wäre es das Todesurteil, wenn die Magnetspeicherung versagt und eine unkontrollierte Annihilation abläuft. Das Schiff könnte explodieren wie eine Bombe.

So könnte ein von Antimaterie getriebenes Raumschiff aussehen. In diesem Falle würden Positronen mit Materrie reagieren udn dies erzeugt über einige Zwischenschritte Schub. © Positronics Research, LL

Bremser am Heck

Das nächste Problem ist die Antriebsdüse. Denn Schub bekommt ein Antimaterie-getriebenes Raumschiff nur dann, wenn die bei der kontrollierten Auslöschung im „Warp-Kern“ entstehenden Teilchen und Strahlung in eine Richtung ausgestoßen werden. Das maximale Tempo des Raumschiffs hängt dabei direkt von der Geschwindigkeit dieses Ausstoßes ab – und für diese ist neben der Annihilation selbst vor allem die Konstruktion der magnetischen Auslassdüse verantwortlich.

Bisher jedoch erwiesen diese sich als echte Bremser: Lässt man Antiprotonen in einem Antrieb mit Protonen reagieren, entstehen dabei geladene Pionen als Antriebsteilchen. Diese rasen den Berechnungen nach mit immerhin 90 Prozent der Lichtgeschwindigkeit aus dem Reaktor des Antimaterie-Raumschiffs heraus. Doch die bisherigen Auslassdüsen-Designs waren so uneffektiv, dass nur noch ein Schub von einem Drittel der Lichtgeschwindigkeit übrig bleibt.

2012 jedoch haben zwei Physiker neue Berechnungen und Simulationen veröffentlicht, nach denen man Auslassdüsen so konstruieren könnte, dass der Antriebsstrom rund 80 Prozent der Lichtgeschwindigkeit erreicht. „Relativistische Geschwindigkeiten kommen damit wieder in den Bereich des Möglichen“, meinen Ronan Keane und Wei-Ming Zhang.

Fazit des Ganzen: Antimaterie-Antriebe für Raumschiffe wären theoretisch durchaus machbar. Doch bisher fehlt es dafür noch an so ziemlich allem: an genug Antiteilchen als Treibstoff, an effektiven Speichermöglichkeiten und der Umsetzung einer Technik, die die entstehende Energie effektiv in Schub umwandelt.

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Nadja Podbregar
Stand: 06.11.2015

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Antimaterie
Eine Reise in die Gegenwelt

Die Antiwelt
Was ist Antimaterie?

Spiegelbild mit kleinen Fehlern
Auf der Suche nach der Symmetrieverletzung

Sie ist überall
Antimaterie gibt es auch in unserer Umgebung

Antimaterie-Gewitter
Gammablitze erzeugen Positronen

Antimaterie = Antigravitation?
Wie reagieren Antiteilchen auf die Schwerkraft?

Antimaterie als Treibstoff?
Wie realistisch ist ein "Warp-Antrieb"?

Tumore, Gehirn und Kristalle
Existierende Anwendungen von Antimaterie

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