Früher haben Taxonomen Lebewesen ausschließlich anhand ihrer äußeren Merkmale – der Morphologie – oder ihres Verhaltens bestimmt. Seit Beginn dieses Jahrhunderts nutzen sie zunehmend genanalytische Methoden, mit denen sich anhand des Erbguts bestimmen lässt, ob Lebewesen einer bestimmten Art angehören oder nur entfernt miteinander verwandt sind.
Vor zehn Jahren fürchtete mancher klassische Taxonom, die genanalytischen Verfahren könnten ihn arbeitslos machen. Heute weiß man, dass sich die klassische morphologische Taxonomie und neue molekulare Verfahren sehr gut ergänzen. Von integrativer Taxonomie ist die Rede.
DNA-Barcode als Erkennungsmerkmal
Ein Beispiel ist das German Barcode of Life-Projekt (GBOL). Darin bauen seit 2012 rund 50 Experten aus 18 Forschungsinstituten zusammen mit 200 externen Artenkennern eine genetische Referenzbibliothek der deutschen Tier- und Pflanzenarten auf. Dabei werden Exemplare einer Art nicht nur in klassischen naturkundlichen Sammlungen archiviert, sondern zusätzlich Teile des Erbguts analysiert. Die Abfolge der Basenpaare in der DNA wird gleich dem Barcode auf Lebensmittel-Verpackungen als Kennzeichen einer Art gespeichert.
„Durch die genetische Analyse ergeben sich mitunter vollkommen neue Erkenntnisse“, sagt Astrins Kollege Björn Rulik, der ebenfalls am Museum Koenig arbeitet und im GBOL die taxonomische Arbeit koordiniert. „So zeigt die genetische Information oftmals eindeutig, dass ähnliche Tiere, die lange derselben Art zugeordnet wurden, verschiedenen Arten angehören.“
Neue Entdeckungen auch in Deutschland
Nicht einmal in Deutschland sind alle Arten bekannt – neue Entdeckungen lassen sich selbst in unserer vermeintlich so gut erforschten Heimat machen, wie das Beispiel der Trugameise zeigt. Obschon diese zu den Wespen gehörenden Insekten lange bekannt und relativ häufig sind, wurde erst 2012 mittels DNA-Analysen entdeckt, dass es unter ihnen eine noch unbekannte Art gibt.
„Schmetterlinge oder Säugetiere kennen wir natürlich gut, aber es gibt mehrere Tausend Mückenarten und viele andere Tiergruppen, bei denen wir nicht wirklich wissen, was draußen in der Natur eigentlich los ist.“ Bis 2015 wollen Rulik und seine Kollegen in Kleinstarbeit zunächst 20.000 dieser Arten erfassen.
Tim Schröder / Leibniz Journal
Stand: 07.08.2015