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Anthropogeographie

Posaunen vor Jericho

War der berühmte Ort schon eine Stadt?

Was macht eine Stadt aus? Diese Frage ist nicht so trivial wie sie zunächst klingt. Denn beileibe nicht jede Siedlung, in der viele Menschen zusammenleben, verdient gleich das Etikett Stadt. Stattdessen müssen bestimmte Merkmale vorhanden sein – sowohl in der äußerlichen Form als auch in Bezug auf die Gesellschaft.

Dieses Relief aus dem 14. Jh. zeigt den Fall der Mauern von Jericho, von dem in der Bibel berichtet wird. © Sailko/ CC-by-sa 3.0

Ein Turm und eine große Mauer

Lange Zeit galt Jericho im Westjordanland als älteste Stadt der Welt. Denn hier reichen die Besiedlungsspuren bis zu 12.000 Jahre weit zurück. Etwa um 8.000 vor Christus umfasste diese Siedlung immerhin bereits vier Hektar Fläche. Damals lebten hier bis zu 3.000 Menschen in Lehmziegelhäusern – für diese Zeit schon eine beachtliche Ballung. Ausgrabungen förderten in Jericho zudem die älteste Steintreppe der Welt zutage und den ältesten steinernen Turm.

Sogar eine Art Stadtmauer oder Wall errichteten die Bewohner von Jericho damals um ihre Siedlung. Diese sagenhafte Mauer – oder eher ein Nachfolger von ihr – taucht schon in der Bibel auf: Die Israeliten sollen sie bei der Eroberung Kanaans allein durch den Klang ihrer Posaunen zum Einsturz gebracht haben. Ob es sich bei dem Wall tatsächlich um eine echte Stadtmauer handelte oder doch eher um einen Schutzwall gegen Überschwemmungen, ist allerdings strittig.

Reste der alten Mauer von Jericho © Tamar Hayarden / CC-by-sa 3.0

Trotzdem nur eine Großsiedlung

Dennoch fehlen Jericho zu dieser Zeit einige wichtige Stadtmerkmale. So gibt es keine Hinweise auf eine interne funktionelle Gliederung des Ortes in Viertel, beispielsweise in Wohn- und Geschäftsviertel oder Tempelbezirke. Jericho war zudem gegenüber dem Umland eher isoliert – es übernahm offensichtlich noch keine Verwaltungsfunktion oder andere öffentlichen Aufgaben als lokales Zentrum.

Auch die Bevölkerung von Jericho war noch nicht typisch städtisch: Die meisten von ihnen erzeugten ihre Nahrung noch selbst und bauten Emmer, Gerste und Hülsenfrüchte an, hielten Vieh in Ställen innerhalb der Siedlung und gingen auf die Jagd. Nach Ansicht von Archäologen war Jericho zu jener Zeit wahrscheinlich nur eine Großsiedlung und noch keine echte Stadt. Erst später, in der frühen Bronzezeit um etwa 2.000 vor Christus, hatte sich Jericho zur Stadt entwickelt.

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Nadja Podbregar
Stand: 03.07.2015

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Die älteste Stadt der Welt
War es Jericho, Uruk oder Tell Brak?

Posaunen vor Jericho
War der berühmte Ort schon eine Stadt?

Uruk
Eine Megacity des Altertums

Überraschung in Tell Brak
Ein Hügel gibt erste Geheimnisse preis

Eindeutig eine Stadt
Tell Brak als urbanes Zentrum der Frühgeschichte

Stadt im Konflikt
Gewalt und Krieg als Preis für das Wachstum von Tell Brak?

Tell Brak war kein Solitär
Entdeckungen im Norden des Zweistromlands

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