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Anthropogeographie

Auf der Suche nach den Amazonen

Waren die Skythenfrauen der Ursprung der sagenhaften Kriegerinnen?

Sie galten als furchtlose Kämpferinnen und geradezu als Sinnbild der kriegerischen Frau: die Amazonen. Sie sollen, so berichten es griechische Sagen und Geschichtsschreiber, als berittene Bogenschützinnen selbst von erfahrenen Kriegern gefürchtet worden sein. In ihrer Gesellschaft, so heißt es, hatten Männer nichts zu sagen, sie dienten nur der Fortpflanzung. Doch was ist dran am Amazonen-Mythos?

Vasenmalerei, Museo Orsi in Syrakus
Griechische Darstellung einer Amazone - hoch zu Ross und in skythischer Tracht. © Carlomorino / CC-by-sa 3.0

Ein Volk von Kriegerinnen

Einen Hinweis gibt eine Schilderung des griechischen Arztes Hippokrates. Denn er beschreibt nicht nur die seltsamen Sitten der Amazonen, er verrät auch, wo sie gelebt haben sollen: nördlich des Schwarzen Meeres: „Die Frauen dieses Volkes reiten, schießen mit dem Bogen, schleudernden Wurfspeer vom Pferd herab und kämpfen, solange sie Jungfrauen sind, gegen die Feinde.“ Angeblich, so der Gelehrte weiter, fehle ihnen die rechte Brust. Sie werde schon im Kindesalter von der Mutter durch Verbrennen am Wachsen gehindert. „Kraft und Fülle gehen dadurch ganz in die rechte Schulter und den rechten Arm“, so Hippokrates. Das wiederum soll den Amazonen die Kraft für das Bogenschießen verliehen haben.

Und auch der griechische Herodot Geschichtsschreiber Herodot liefert Informationen dazu: Es berichtet von den Sauromaten, einem Volk, das zwischen Kaspischem und Schwarzem Meer lebte und aus den Amazonen hervorgegangen sein soll. Aber was ist dran an diesen Berichten und Angaben? „Die Amazonensage ist vermutlich die Überzeichnung eines historischen Kerns“, erklärt dazu der Eurasien-Experte Hermann Parzinger. „Es gab sicher keinen Volksstamm, der nur aus Frauen bestand oder nur aus Kriegerinnen.“

Herodot verortete die Amazonen neben den Sauromaten, zwischen Schwarzem und kaspischem Meer - hier eingetragen auf einer Karte aus dem 18. Jahrhundert. © historisch

Bewaffnete Frauen als Normalfall?

Aber was es durchaus gab, waren Frauen, die gemeinsam mit Männern kämpften und auch als Kriegerinnen mit ihren Waffen begraben wurden. Denn bei den Skythen war das durchaus keine Ausnahmen, wie der Archäologe berichtet. Solche Gräber von Kriegerinnen haben die Archäologen inzwischen nicht nur im Siedlungsgebiet der Sauromaten am Schwarzen Meer gefunden, sondern fast überall im Einflussgebiet der Reiternomaden – bis nach Sibirien hinauf. „Immer wieder finden wir hier Frauengräber mit Waffenausstattung, das ist also gar nichts Ungewöhnliches“, so Parzinger. Diese Kriegerinnen tragen dann

Eine Vermutung dazu, warum gerade bei den Skythen so viele Frauen Kriegerinnen wurden, haben die Archäologen auch: Die Reiternomaden waren mobil, sie mussten mit ihren Herden umherziehen, um diesen fruchtbare Weidegründe zu bieten. Dadurch aber konnten sie ihren Besitz nicht durch befestigte Städte schützen. Stattdessen mussten sie ständig auf der Hut vor Angreifern sein – und entsprechend gut geschulte und ausgerüstete Krieger haben. Denn ihre Herden – und auch das von ihnen gewonnene und bearbeitete Gold und andere Metaller waren die Grundlage ihres Wohlstands.

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„Dieser Zwang zur Verteidigung hat zu einer gewissen Militarisierung der Gesellschaft geführt“, sagt Parzinger.

Griechische Darstellung einer Amazone - in typisch skythischer Tracht. © Bibi Saint-Pol / gemeinfrei

Statussymbol oder Schutz?

Für die mit Waffen bestatteten Skythen-Frauen könnte es in diesem Zusammenhang zwei Erklärungen geben: Zum einen könnten Waffen in einer eher militaristischen Gesellschaft einfach ein Symbol für einen hohen gesellschaftlichen Rang gewesen sein – wer etwas galt, trug im Leben wie im Tode Waffen. Dann allerdings müssen die „Amazonen“ nicht unbedingt als Kriegerinnen gekämpft haben.

Aber es gibt noch eine zweite Möglichkeit, wie Parzinger erklärt. Denn noch heute ist es bei den Nomaden Zentralasiens üblich, dass vor allem die Männer mit den Herden im Sommer weit umher ziehen. Die Frauen mit ihren Kindern bleiben dagegen während dieser Zeit oft eher stationär: Sie bleiben vor Ort, kümmern sich dort um die verbleibenden kleineren Herdenteile und müssen dann diese ebenfalls verteidigen. „Es ist daher durchaus denkbar, dass die Frauen dann auch Aufgaben der Männer übernahmen – darunter eben auch das Kämpfen“, so der Archäologe.

Klar scheint allerdings, dass es die männermordenden, brustamputierten Kriegerinnen der griechischen Legenden wohl so nicht gegeben hat. Aber im Gegensatz zu nahezu rechtlosen Stellung vieler griechischer Frauen der Antike standen die Skythenfrauen offenbar sowohl in punkto Status als auch in punkto Kampfausrüstung ihren männlichen Gegenparts kaum nach.

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Nadja Podbregar
Stand: 16.08.2013

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Die Skythen - Gräber, Gold und Genanalysen
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