Anzeige
Phänomene

Uralt und nicht tot zu kriegen

Süßwasserpolypen und ihre lange Geschichte

Die mythische, vielköpfige Seeschlange Hydra, hier dargestellt auf einer antiken griechischen Vase, die im Louvre aufbewahrt wird. © Bibi Saint-Pol / gemeinfrei

Die sagenhafte Hydra galt als unsterblich. Wer auch immer dem Ungeheuer in den Sümpfen von Lerna an der Küste des Peloponnes gegenübertrat und ihm die Köpfe abschlug, musste erleben, wie sie unversehens wieder nachwuchsen. Das faszinierende Wesen aus der griechischen Mythologie war vermutlich nicht allein ein Produkt der Fantasie, sondern ging auf Erlebnisse zurück, die die alten Griechen mit tatsächlich existierenden Lebewesen, wahrscheinlich mit Seeanemonen, gemacht hatten: Die Meereslebewesen mit ihren schlangenartigen Fangarmen waren ihnen jedenfalls sehr vertraut, sie zieren Vasen und Schmuckstücke aus antiker Zeit und standen damals auf dem Speisezettel.

Seeanemonen gehören wie Korallen und Quallen zu den Nesseltieren, einer Gruppe einfach gebauter, vielzelliger Tiere, die das Meer und einige Süßgewässer bewohnen. In ihren Fangarmen tragen sie einen charakteristischen Zelltyp, sogenannte Nesselzellen, mit denen sie Nahrung fangen. Früheste Fossilien der Nesseltiere sind über 600 Millionen Jahre alt. Das macht sie zu den ältesten vielzelligen Tieren in der Evolution. Auch die tentakelbewehrten Süßwasserpolypen zählen zu den Nesseltieren. Ihren wissenschaftlichen Namen „Hydra“ erhielten sie in Anlehnung an die griechische Mythologie im Jahr 1758 von dem berühmten schwedischen Naturforscher

Carl von Linné.

Aufbau eines Süßwasserpolypen © Bosch TC., Dev Biol. 200 / CC-by-sa 3.0

Ein Tier, das sich wie eine Pflanze vermehrt

Die bis zu drei Zentimeter großen Süßwasserpolypen besiedeln weltweit saubere und ruhige Süßgewässer und können sich – ähnlich wie Pflanzen – ungeschlechtlich vermehren, indem sie von ihrem Körper Knospen abschnüren. Deshalb wurden die Süßwasserpolyen zuerst als Pflanzen klassifiziert. Erst Abraham Trembley, ein in Genf geborener Forscher, beschrieb Hydra im Jahr 1744 als Tier mit komplexen Verhaltensmustern und einer bemerkenswerten Fähigkeit zur Regeneration.

Süßwasserpolypen sind einfach gebaut. Ihr Körper ist sackartig, unten befindet sich eine Fußscheibe, oben der von Tentakeln umstandene Mund. Die Körperwand wird von einer äußeren und einer inneren einlagigen Zellschicht (Ekto- und Entoderm) gebildet. Dieser Bauplan entspricht der Gastrula, einem Stadium in der Embryonalentwicklung, das von allen Tieren durchlaufen wird – auch vom Menschen. Bei der Hydra entstehen die Knospen während der ungeschlechtlichen Vermehrung als Ausstülpungen der Körperwand. Sie lösen sich nach ein bis zwei Tagen vom Körper ab und entwickeln sich zu neuen Polypen fort.

Anzeige
  1. zurück
  2. 1
  3. |
  4. 2
  5. |
  6. 3
  7. |
  8. 4
  9. |
  10. 5
  11. |
  12. weiter

Thomas Holstein / Ruperto Carola, Universität Heidelberg
Stand: 02.11.2012

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Ein Leben ohne Altern
Wie Stammzellen den Süßwasserpolypen Hydra unsterblich machen

Uralt und nicht tot zu kriegen
Süßwasserpolypen und ihre lange Geschichte

Ewiger Embryo
50 Jahre und kein bisschen älter

Unbegrenztes Wachstum
Die Sache mit den Stammzellen

Gene und Signalwege
Auf der Suche nach den genetischen Ursachen

Diaschauen zum Thema

News zum Thema

Medizin-Nobelpreis für die Reprogrammierung von Körperzellen
Entdeckung, dass und wie die Differenzierung umkehrbar ist, revolutionierte Zellbiologie und Medizin

Leber zur Selbstheilung angeregt
Vermehrte Bildung neuer Leberzellen aus Stammzellen im Experiment gelungen

Wurm regeneriert sich aus nur einer Zelle
Pluripotente Stammzellen verleihen dem Plattwurm seine Regenerationsfähigkeit

Forscher filmen Stammzell-Geburt
Neues Gen-Taxi in Verbindung mit Videoanalysen eröffnet Perspektiven für die Stammzellforschung

Dossiers zum Thema