Anzeige
Zoologie

Ein Schleier als Parabolschüssel

Wie hören Schleiereulen?

Für die Jagd in der Dämmerung benutzt die Schleiereule hauptsächlich ihr hoch spezialisiertes Gehör. Der namensgebende Schleier sammelt Geräusche ähnlich einer Parabolschüssel und wirkt als Verstärker. So kann das Tier noch Geräusche hören, die zehnmal leiser sind als die leisesten vom Menschen wahrnehmbaren Geräusche. Maßgeblich trägt dazu der äußere Federkranz des Schleiers bei, der aus einem dichten Rand steifer, schallreflektierender Federn gebildet wird.

Die Schleiereule hat ein fantastisches Gehör. Der namensgebende Schleier sammelt Geräusche und wirkt wie ein Verstärker. © Foto & Montage: Lehrstuhl für Zoologie / Tierphysiologie, RWTH Aachen

Aurikularfedern „transparent“ für Schall

Das Innere des Schleiers dagegen besteht aus fein verästelten Aurikularfedern (von lateinisch auris = Ohr), die durch ihre Struktur für Schall „transparent“ sind und ihn nahezu ohne Abschwächung an die Ohren weiterleiten. Deshalb wurde begonnen, den Schleier nachzubauen, um Anregungen zu gewinnen, die zum Beispiel dabei helfen können, die räumliche Auflösung von Richtmikrofonen zu verbessern.

Ähnlich wie die Augen sind auch die Ohren des Vogels seitlich gegeneinander am Kopf versetzt. Der Schall von einer Schallquelle gelangt später zum schallabgewandten als zum -zugewandten Ohr. Daraus resultieren, analog zu den räumlichen Verschiebungen beim Sehen, Laufzeitdifferenzen zwischen den Ohren. Es entstehen Lautstärkeunterschiede zwischen den Ohren, weil der Kopf die Lautstärke von Geräuschen an der schallabgewandten Seite verringert.

Auffällige Laufzeit- und Lautstärkedifferenzen

Die Laufzeit- und Lautstärkedifferenzen sind umso größer, je weiter die Schallquelle weg von der Blickrichtung des Kopfes ist. Wegen ihres kleineren Kopfes sollte die Schleiereule eigentlich Schallquellen weniger präzise lokalisieren können als der Mensch. Doch das ist ein Irrtum. In der horizontalen Ebene lokalisieren Menschen und Schleiereulen Schallquellen etwa gleich gut, wohingegen die Schleiereule in der vertikalen Ebene sogar eine höhere Präzision als der Mensch erreicht.

Dies geht auf eine weitere Besonderheit zurück: Die Ohrläppchen der Schleiereule sind nicht symmetrisch in einer horizontalen Ebene angeordnet, sondern das linke Ohrläppchen liegt höher als das rechte und ist nach unten hin gerichtet, während das rechte leicht nach oben zeigt.

Anzeige
Nordamerikanische Schleiereule © DickDaniels (http://carolinabirds.org) / GFDL

Schleier und Ohrasymmetrie als „Team“

Der Schleier und die Ohrasymmetrie wirken zusammen, um Unterschiede in der Lautstärke nicht nur bei Änderungen der Position einer Schallquelle in der horizontalen, sondern auch in der vertikalen Ebene entstehen zu lassen. Während Menschen sowohl Laufzeit- als auch Lautstärkeunterschiede für die Bestimmung des horizontalen Winkels nutzen, bestimmt die Eule mittels Laufzeitunterschieden den horizontalen und mittels Lautstärkeunterschieden den vertikalen Winkel.

  1. zurück
  2. |
  3. 1
  4. |
  5. 2
  6. |
  7. 3
  8. |
  9. 4
  10. |
  11. 5
  12. |
  13. weiter

Professor Hermann Wagner / Lehrstuhl für Zoologie/Tierphysiologie an der RWTH Aachen / Laura Hausmann / DFG forschung 4 /2011
Stand: 15.03.2012

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Bestens eingefügt
Anpassung an einen Lebensraum – die Schleiereule als Modelltier

Faszination Schleiereule
Nachtjäger mit einzigartigen Anpassungen

Schleiereulen beherrschen Stereosehen
Spezialisten für perfekte Wahrnehmung

Ein Schleier als Parabolschüssel
Wie hören Schleiereulen?

Schmierstoffe auf Eulenbasis?
Anwendungen ohne Ende

Diaschauen zum Thema

News zum Thema

keine News verknüpft

Dossiers zum Thema

Adler - "Take off" für den König der Lüfte

Zugvögel - Von Interkontinentalflügen und Weltenbummlern