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Evolution

Monster aus der Eiszeit?

Die ersten Höhlenbären-Fossilien

Die Zoolithenhöhle in der Fränkischen Schweiz, nicht weit von dem kleinen Ort Burggaillenreuth entfernt. Wir schreiben das Jahr 1771. Johann Friedrich Esper, ein evangelischer Pfarrer aus dem mittelfränkischen Uttenreuth, geht wieder einmal seiner Lieblingsbeschäftigung nach: Er erforscht mit Inbrunst Höhlen und die Zoolithenhöhle hat es ihm besonders angetan. Ihn interessieren jedoch nicht nur die Tropfsteine und Gänge in dem großen hallen- und schachtartigen System, sondern auch die unzähligen Knochen, die dort zu finden sind.

Riesige Knochen

Manche von diesen haben Ausmaße, wie sie Esper noch nie in seinem Leben gesehen hat. Der Hobbyforscher ist begeistert und verwirrt zugleich. Was hat er da bloß entdeckt? Die Überreste eines der fürchterlichen Drachen aus den alten Sagen? Oder ein anderes merkwürdiges Riesentier? Esper weiß es nicht. In seinem Buch „Ausführliche Nachrichten von neuentdeckten Zoolithen“ aus dem Jahr 1774 beschreibt er seine Funde dennoch ausführlich.

Die Lösung des Rätsels gelingt 20 Jahre später Johann Christian Rosenmüller, einem deutschen Mediziner aus Leipzig. 1794 erkennt er anhand eines fossilen Schädels aus der Zoolithenhöhle, dass es sich um eine bislang völlig unbekannte, höchstwahrscheinlich ausgestorbene Tierart handelt. Rosenmüller macht sich an die erste wissenschaftliche Beschreibung der aufregenden Entdeckung, die wegen ihres Fundortes den Namen Höhlenbär (Ursus spelaeus) erhält.

Sophienhöhle © Rainer Lippert / gemeinfrei

Relikte von 1.000 Höhlenbären

Seit den Zeiten von Esper und Rosenmüller haben Forscher noch viele weitere Fossilien der Riesenbären in der Zoolithenhöhle entdeckt. Im Laufe der Zeit ist man aktuellen Schätzungen zufolge auf Skelettteile von 800 bis 1.000 dieser Tiere gestoßen – mindestens. Und auch in der nicht allzu weit entfernt gelegenen Sophienhöhle nahe der Burg Rabenstein spürte man schon im 19. Jahrhundert zahlreiche steinerne Überreste der Höhlenbären und von anderen Eiszeittieren auf.

Kaspar Maria von Sternberg, ein deutscher Politiker und Pionier der Paläobotanik, beschrieb die „Wunderwelt“ der Sophienhöhle bereits 1835 so: „Bei dem Herabgehen in die Höhle gelangt man in eine geräumige Kammer, in deren Mitte Stalagmite sich angehäuft haben, und stößt zuerst auf ein aufrecht stehendes stattliches Rennthiergeweih, welches den Geweihen der noch lebenden Rennthiere sehr nahe steht; der Kopf mit dem unteren Theile der beiden Stangen des Geweihes ist mit Stalagmiten übergossen, wodurch es aufrecht erhalten wird, mehrere Sprossen sind ganz erhalten. Wenige Fuß tiefer liegt ein ungeheures Becken von einem Mammuth in eben diesem Stalagmit eingebettet; und noch mehrere Fuß tiefer ragen drei Höhlenbärenköpfe aus dem Stalagmite hervor, die Zähne bleckend, als wollten sie ihre Beute erfassen[…].“

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Ursus spelaeus in der Sophienhöhle (Fränkische Schweiz) © Rainer Lippert / gemeinfrei

Fossilien ohne Ende

Doch Zoolithen- und Sophienhöhle sind nur zwei von vielen Orten, an denen sich die mit dem modernen Braunbären eng verwandte Art Ursus spelaeus während der letzten Eiszeit aufhielt. Wie der Wissenschaftsautor Ernst Probst in seinem Buch „Der Höhlenbär“ berichtet, hat man allein in Deutschland an 58 Stellen Knochen, Zähne und manchmal sogar weitgehend komplette Schädel der Tiere gefunden.

Ähnlich sieht es auch in anderen Ländern aus. Zu einem echten El Dorado für Paläontologen und Biologen ist dabei die Drachenhöhle bei Mixnitz in Österreich geworden. Dort sind mittlerweile sogar Fossilien von angeblich über 30.000 Bären ausgegraben worden. Alle diese Entdeckungen zeigen, dass der Höhlenbär in einem riesigen Lebensraum, der von der iberischen Halbinsel bis zum Ural und wohl auch nach Asien hinein reichte, heimisch war.

Moderne Datierungsmethoden, Genvergleiche und Computersimulationen haben aber längst auch einiges über das Aussehen und die Lebensweise des Höhlenbären enthüllt.

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Dieter Lohmann
Stand: 22.07.2011

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Höhlenbären
Rätselhafte Eiszeit-Riesen

Monster aus der Eiszeit?
Die ersten Höhlenbären-Fossilien

Viel schwerer als ein Smart
Aussehen und Lebensweise der Höhlenbären

Vegetarier oder Bestien?
Neue Erkenntnisse über die Nahrung der Riesenbären

Tod vor 27.800 Jahren
Rätsel um das Aussterbedatum der Höhlenbär gelöst

Klimaabkühlung stürzte Höhlenbären ins Verderben
Niedrige Temperaturen sorgten für Nahrungsmangel

Kein Freispruch für den Menschen
Der Kampf um die Höhlen

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